Hoffnung in der Katastrophe
In der Liturgie für Allerseelen gibt es einen alternativen Psalmvers für den Antwortgesang, der auf den ersten Blick nicht so recht zu diesem Tag passen will: "Ich freute mich, als man mir sagte: 'Zum Haus des Herrn wollen wir pilgern.'" (Ps 122,1) Freude beim Gedächtnis an die Toten? Das ist selbst für praktizierende Christen eine Herausforderung.
Und dennoch formuliert der Vers das passende Programm für diesen Tag. Im Nachrichtengeschehen der vergangenen Monate war viel vom Tod die Rede; vielleicht zu viel. Unzählige Menschen wurden auf teilweise kaum zu begreifende Weise aus dem Leben gerissen – und jeden Tag werden es mehr. Wir Katholiken sollten den Allerseelentag nutzen, um diesem obszönen Bild vom Sterben etwas entgegen zu setzen. Der Tod ist schließlich viel mehr als ein katastrophales Ereignis. Er ist auch Anlass zur Hoffnung.
Ein Vorbild: Paul Hoogeveen
Im zitierten Psalmvers scheint die christliche Hoffnung auf das Ewige Leben auf. Wer darauf hofft und daran glaubt, nach dem Ende seines irdischen Lebens in den Himmel zu gelangen, kann dem Tod gelassener entgegen sehen. Sollte man sich deswegen gleich darauf freuen? Das sicher nicht. Aber wir dürfen uns über jeden Moment des Lebens freuen, selbst wenn er uns näher zum Tod führt.
Wir Mitarbeiter von katholisch.de denken heute an einen Menschen, der uns dies in beeindruckender Weise vorgemacht hat: Paul Hoogeveen. Er ist der Protagonist eines Videos, das wir vor genau einem Jahr veröffentlicht haben. Im Sommer 2015 war bei ihm ein Hirntumor entdeckt worden. Im Herbst hatten wir ihn im Hospiz besucht, um seine Stimme in die Debatte um die Suizidbeihilfe einzubringen. Seine Aussage war deutlich: Ich werde sterben, aber noch lebe ich. Im Mai dieses Jahres ist er gestorben.
Mit seinen wenigen Worten hatte Paul Hoogeveen uns und vielen unserer User eindrucksvoll gezeigt, dass sein Tod mehr ist als eine Katastrophe. So konnte er selbst an den letzten, schmerzerfüllten Tagen seines Lebens Freude finden, wenn er mit seiner Enkelin zusammen war. Das Sterben konnten weder er noch seine Ärzte verhindern, aber eben auch nicht diese Momente der Lebensfreude.
In diesen Zeiten, in denen das Grauen des Todes uns täglich so deutlich vor Augen geführt wird, wirken Geschichten wie diese tröstlich. Paul Hoogeveens Wille zur Lebensfreude ist genau das, was uns der Psalmvers aus der Allerseelenliturgie sagen soll.
Der Tod hat nicht das letzte Wort
Es geht nicht darum, den Tod zu verharmlosen oder gar zu beschönigen. Denn genauso, wie die Ärzte gegenüber Paul Hoogeveens Krankheit am Ende machtlos waren, werden wir auch mit größten Anstrengungen die Bomben auf Aleppo oder die Terrorakte in Europas Städten nicht sofort abstellen können. Aber wir können zeigen, dass der Tod mehr ist als diese schrecklichen Katastrophen.
Der Tod ist für uns Katholiken eben auch ein Grund zur Hoffnung: "Sind wir nun mit Christus gestorben, so glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden", sagt Paulus (Röm 6,8). Und in diesen Glauben an eine gute Zukunft dürfen wir auch alle einschließen, an deren Leben zuletzt nichts mehr gut war, die keine Hoffnung mehr hatten und erst recht keine Freude. So katastrophal der Tod auch ist, er hat nicht das letzte Wort. Nicht für uns Lebende und nicht für die Toten, derer wir heute an Allerseelen gedenken.
