Das Ende der Ausbeutung?

Veröffentlicht am 05.02.2013 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Ausland

Nigeria ‐ Der Urteilsspruch könnte eine Wende markieren. Eine Wende für die Industrie, die jetzt auch am Sitz ihrer Zentralen für fernab in den Entwicklungsländern begangene Fehler haftbar gemacht werden kann. Aber auch für die Verbraucher hierzulande, denn auf sie dürften die Kosten für die Schadenersatzzahlungen vom anderen Ende der Welt abgewälzt werden und ihr Leben damit teurer machen.

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Was ist geschehen? Ein Gericht im niederländischen Den Haag verurteilte jetzt den internationalen Ölmulti Shell dazu, für Schäden finanziell geradezustehen, die er im nigerianischen Niger-Delta angerichtet hat. Aus einer schadhaften Pipeline des Konzerns war dort in den Jahren 2004, 2005 und 2007 Öl ausgetreten und hatte weite Landstriche vergiftet. Unter anderem waren dabei die 47 Fischteiche des Klägers Friday Alfred Akpan unbrauchbar worden, so dass er und seine ganze Familie ihre Lebensgrundlage verloren.

Bauern die Lebensgrundlage entzogen

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Nach Auffassung des Gerichts hatte die nigerianische Tochtergesellschaft des Shell-Konzerns es an der nötigen Sorgfalt mangeln lassen, um ihre Rohrleitungen vor Sabotage zu schützen und Lecks zu verhindern. Shell Nigeria, ältestes und größtes Energieunternehmen des Landes, muss nun für die Schäden des Fischers Akpan aufkommen; in welcher Höhe dies zu geschehen hat, ist erst noch Gegenstand eines zweiten Verfahrens.

Ein niederländisch-nigerianisches Happy End? Ein Sieg von verarmten Bauern und Fischern aus der früher so genannten 'Dritten Welt' über ein steinreiches Unternehmen, dessen Gewinn im letzten Quartal des Jahres 2012 um 15% auf 5,58 Milliarden Dollar gestiegen ist und das von einem anderen Kontinent aus nach rein wirtschaftlichen Kriterien über das Schicksal ganzer Regionen zu entscheiden pflegte? Nicht ganz, das Urteil wirft durchaus Fragen auf.

Lokale Bevölkerung ausgeschlossen

Eine von ihnen ist die nach den Gründen, die die Kläger aus dem Süden nach Europas geführt haben. Nach Ansicht von Wale Fapohunda, Mitglied der nationalen Menschenrechtskommission in Lagos, steht dahinter das fehlende Vertrauen vieler Afrikaner in die eigenen Rechtssysteme, die sie als unfähig und korrupt ansehen: "Wenn diese Menschen Gerechtigkeit nur außerhalb unserer Grenzen finden, ist das schlecht für uns." sagt Fapohunda, der auch einem internationalen Beratergremium für Strafrechtsreform angehört.

Ebenso schlecht dürfte es sein, wenn die Wirtschaft in Entwicklungsländern quasi ferngesteuert wird. Die Ölproduktion in Nigeria kann als hervorragendes Beispiel für eine Entwicklung gelten, die das Wochenmagazin 'Le monde diplomatique' als "ein Wirtschaftswachstum, das den Armen nicht hilft" bezeichnet. Sie schaffe "logistische und ökonomische Enklaven, von denen die lokale Bevölkerung ausgeschlossen bleibt". Unter diesen Umständen kann es wenig erstaunen, wenn die sich aus einem Gefühl der Ohnmacht heraus dann entweder gewalttätig selbst Recht zu schaffen versucht oder sich auf den weiten Weg nach Europa oder Amerika macht.

Industrieländer werden als Ausbeuter wahrgenommen

Doch damit nicht genug. Auch die Verbraucher in den Industrieländern stehen in diesem Prozess auf der Verliererseite: Sie werden in Afrika weniger als Partner denn als Ausbeuter wahrgenommen und können so langfristig weder auf eine friedliche Entwicklung hoffen noch von einer Sicherheit ihrer Rohstoff- und Energielieferungen ausgehen. Moralisch-ethisch wie auch ganz pragmatisch sollten sie ihren Platz daher an der Seite der bisherigen Verlierer der globalen Wirtschaftsentwicklung sehen. Die vom Gericht in Den Haag jetzt eingeleitete Wende wird das Leben für sie zwar etwas teurer machen, gleichzeitig könnte sie aber auch ihr Gewissen erleichtern. Und das dürfte unbezahlbar sein.

Von Uwe Bork