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Das Wort zum Sonntag vom 24.06.2017

Das Kreuz mit dem Kreuz - gesprochen von Lissy Eichert (kath.)

Video: © Lissy Eichert

Wir haben hier ja immer wieder so unser Kreuz mit dem Kreuz: Da erstrahlt, weithin sichtbar, ein großes Kreuz über der Stadt – wenn die Sonne scheint. Dann nämlich reflektiert die Kugel des Fernsehturms am Alexanderplatz ihre Strahlen als Lichtkreuz. Walter Ulbricht hatte seinen Turmbau als eine Demonstration des Atheismus verstanden: "Wir kommen auch ohne Gott hoch hinaus." Nur die Sonne – die hatte er nicht eingeplant. Eine "Charmeoffensive Gottes"? Bis heute erregt das Sonnenkreuz die Gemüter. Die einen nehmen Anstoß. Andere freut’s. Für Christinnen und Christen in der DDR war es ein Lichtblick. In diesen Wochen wurde wieder um ein Kreuz gestritten: um das Kreuz auf der Kuppel des Berliner Stadtschlosses, das derzeit wieder aufgebaut wird. Es ging hin und her: Ist das christliche Kreuz zu belastet, überhaupt noch zeitgemäß? Warum nicht ein Halbmond oder ein Davidsstern oder gleich alle drei, also Kreuz, Mond und Stern?

Die Humanisten schlugen gar ein Mikroskop als Kuppelkrönung vor. Als Symbol für Wissenschaftsgläubigkeit? Das Kreuz ist ein Zeichen, dem widersprochen wird. Steht schon in der Bibel. Am Kreuz kommt ja auch keiner vorbei: Trennung, Tod, Arbeitsplatzverlust… Immer wieder werden Lebenspläne durchkreuzt. Als ich Mitte 20 war, bekam ich die Diagnose, möglicherweise bald nicht mehr laufen zu können. Ich war lebenshungrig, dynamisch, sportlich – und dann so ein Schock. Puh, dachte ich, wenn schon die Knochen nicht mehr mitmachen, dann muss eben der Kopf ran. Unter dem Druck der Erkrankung entschloss ich mich, eine Zeitlang ins Ausland zu gehen. Dank eines Stipendiums konnte ich in England studieren. Dieses eine Jahr hat mich ganz besonders geprägt. Noch heute zehre ich von den Erfahrungen, die ich dort gemacht habe. "Da hat‘s das Schicksal nochmal gut mit dir gemeint", sagen manche dazu. Ich nenne es "Fügung". Ich traue Gott zu, aus einem "Minus" ein "Plus" zu machen. Dass dort, wo mir eine Tür vor der Nase zugeschlagen wird, ein Fenster aufgeht.

Passiert nicht automatisch und oft ganz anders, als ich es mir gewünscht habe. Ist ja vielleicht auch gut so… Das Kreuz als Symbol für menschliches Leid: Wem Schlimmes widerfährt, der muss "sein Kreuz tragen", sagt man. Kreuze auf Friedhöfen oder an Straßen erinnern an die eigene Endlichkeit: Mitten im Leben – sind wir vom Tod umfangen. Das christliche Kreuz steht aber ebenso für das Leben. Dafür, dass wir mitten im Tod – vom Leben umfangen sind. Gott erspart es mir nicht, dass Lebensträume zerplatzen. Aber er will mich hindurch führen durch das Leid. Damit ich nicht stecken bleibe in Trauer und Angst. Auch nicht im Hass. Das Kreuz markiert die Wandlung vom Tod zum Leben. Jesus Christus ist dafür der Beweis. Und wer sich auf diese Wandlung einlässt, kann selbst zum "Plus-Zeichen" werden. Zu wissen, dass der Tod eben nicht das Ende ist, das setzt ungeahnte Energien frei. Weckt tatsächlich neue Hoffnung. Schafft wieder Vertrauen in das Leben. Ich denke an den Fernsehturm, wie da hoch oben das Kreuz als ein riesengroßes "Plus" erstrahlt. Fast so, als hätte Jesus Christus höchst selbst ein Zeichen gesetzt.