Anian Christoph Wimmer über das kirchliche Arbeitsrecht

Knackende Sollbruchstellen

Veröffentlicht am 30.07.2015 um 00:01 Uhr – Von Anian Christoph Wimmer – Lesedauer: 
Standpunkt

Bonn ‐ Anian Christoph Wimmer über das kirchliche Arbeitsrecht

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Kann die Leiterin eines katholischen Kindergartens nicht nur lesbisch sein, sondern sogar in einer eingetragenen Partnerschaft leben? Natürlich. Zumindest nach einer Prüfung des Einzelfalls, gemäß dem neuen, gelockerten kirchlichen Arbeitsrecht. So geschehen nun auch im oberbayerischen Holzkirchen, dem ersten Fall, der am Mittwoch auch prominent in den Medien lief.

Der Münchner Caritasdirektor ist erleichtert. Das ist verständlich. Ich bin es nicht. Vielleicht auch aus verständlichen Gründen?

Damit eines klar ist: Ich hätte – ceteris paribus – meine eigenen vier Kinder durchaus in einen Kindergarten gehen lassen, dessen Leiterin lesbisch ist, oder auch lesbisch "verheiratet". Und der Holzkirchner Leiterin, den Eltern und dem ganzen Kindergarten wünsche ich eine gute und gelingende Arbeit.

Mir will sich aber nicht erschließen, warum es einer katholischen Kindergarten-Leiterin in Oberbayern – nach Prüfung des Einzelfalls – möglich sein soll, was wenige Kilometer weiter, in Niederbayern oder der Oberpfalz, nicht geht. Dort sind wir bekanntlich in anderen bayerischen Diözesen, die keineswegs ihr Arbeitsrecht genauso handhaben wie das Erzbistum München und Freising; die Grenzen verlaufen teilweise quer durch Städte und Gemeinden.

Zum anderen verstehe ich nicht, wie jemand für die katholische Kirche arbeiten kann, der die Lehre und Werte der Kirche weder teilt noch leben will, sondern dies sogar bewusst und öffentlich nicht tut. Besser gesagt: Ich verstehe es leider nur zu gut. Aber das löst nichts daran, dass der Fall auf ein schwerwiegendes Problem der Kirche und des Glaubens in Deutschland hinweist, dass nicht durch einen - scheinbaren - Akt der Barmherzigkeit gelöst wird oder werden kann.

Der Fall Holzkirchen zeigt nicht nur, wie weit Lebenswelt und Lehre vielerorts auseinander klaffen, sondern auch, dass die Sollbruchstellen des Verhältnisses von Kirche und Staat in Deutschland gewaltiger knacken denn je. Es ist nicht mehr die Frage, ob diese tektonischen Platten auseinander brechen, sondern wann. Und dazu gehört neben dem Arbeitsrecht auch bald die weitere Handhabung der Kirchensteuer. Es ist für viele noch ungeheuerlich, darüber nachzudenken. Aber es ist dringend nötig, und im Interesse der Kirche wie unserer Kindergärten und der Menschen, die dort täglich arbeiten und spielen. Wir müssen faule Kompromisse lösen, die langfristig alles nur schlimmer machen, statt sie fortzusetzen.

Der Autor

Anian Christoph Wimmer ist Chefredakteur der Münchner Kirchenzeitung, Mitglied des Caritasrats der Erzdiözese München und Freising und Familienvater.

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Von Anian Christoph Wimmer