Gefängnis ist das Ende der Freiheit - auch für Promis

Von Hundert auf Null

Veröffentlicht am 15.03.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Fall Hoeneß

Mannheim ‐ Uli Hoeneß geht ins Gefängnis. Die einen mögen mit dem Urteil zufrieden sein, die anderen halten dreieinhalb Jahre vielleicht für zu hart oder zu milde. Sie denken an gute Führung, die die Haftzeit verkürzt, an Privilegien, die ein Prominenter vielleicht auch hinter Gefängnismauern genießt.

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Zunächst einmal bedeutet hinter Gitter zu gehen allerdings, dass man seine Freiheit auf bestimmte Zeit am Tor abgibt. Was das wirklich bedeutet, weiß Thomas Eisermann, Gefängnisseelsorger in der Justizvollzugsanstalt Mannheim. Jener Haftanstalt, in der Jörg Kachelmann seinerzeit in U-Haft saß.

"Wenn man ins Gefängnis geht, wird man mitten im Leben ausgebremst, von hundert auf null", macht Eisermann deutlich. Für einen Menschen, der draußen aktiv war und der nun zwanzig Stunden am Tag in einem Raum eingesperrt ist, ist das ein enormer Druck. "Man wird völlig auf sich zurück geworfen und hat vor allem in der ersten Zeit nichts, womit man sich ablenken könnte", sagt Eisermann.

Die erste Zeit ist die schlimmste

Denn es dauert, bis in der Haft eine Art Alltag einkehrt und man sich in der Situation zurechtfindet. "Deshalb ist die erste Zeit, die schlimmste", so Eisermann. "Man erfährt die vollkommene Beschneidung seiner Freiheiten, die man erst dann schmerzlich vermisst. Man kann noch nicht mal die Tür selbst auf und zu machen, sondern muss warten, bis jemand kommt."

Wer die ersten Wochen in seiner Zelle sitzt, hat keinen Fernseher und keine Spielekonsole, mit denen er sich ablenken könnte. Solche Geräte kann man sich mit Geld der Angehörigen oder später, wenn man im Strafvollzug arbeitet und Geld verdient, organisieren. Aber das dauert.

"Erst einmal heißt es Warten", sagt Eisermann. Warten darauf, dass man eine Arbeit zugeteilt bekommt. Warten auf erste Freizeitangebote, auf das erste Buch aus der Bibliothek, das erste Gespräch mit einem Psychiater, Sozialarbeiter, Arzt. "Alles ist mit zeitlicher Verzögerung verbunden, was viel Geduld erfordert. Denn man hat keinen Einfluss darauf, wie lange etwas dauert."

In der Untersuchungshaft herrschen härtere Haftbedingungen als im Strafvollzug. "Die Kontakte nach außen sind ganz stark eingeschränkt", so Eisermann. Das bedeutet: kein Telefonieren, kaum Besuch, Briefe werden geprüft und es kann zwei Wochen dauern, bis sie zugestellt werden. "Die Menschen werden oft direkt von der Straße weg inhaftiert und können sich nicht vorbereiten", sagt Eisermann, der sich in ersten Gesprächen dann mit vielen Fragen und Bitten konfrontiert sieht.

Bild: ©picture-alliance/dpa/Ronald Wittek

Ein Innenhof in der Justizvollzugsanstalt (JVA) in Mannheim. Der Gefängniswächter in der Mitte kann die Lage aufgrund des Panopticon-Baustils in alle Richtungen hin überwachen.

Der Promistatus hilft bedingt

Vor allem Menschen aus sozial gehobeneren Schichten, die das erste Mal in Haft kommen, erleben im Gefängnis einen Kulturschock. "Die müssen sich erst mal zurechtfinden. Ich biete ihnen Informationen, Begleitung und Gesprächsangebote." Haben es Prominente leichter oder schwerer? "Im Vollzugsalltag ist man erst einmal einer von vielen. Da spielt der Bekanntheitsgrad eine untergeordnete Rolle", betont Eisermann. Jemand Bekanntem falle es aber eventuell leichter, mit Mithäftlingen in Kontakt zu kommen, weil er nicht erst das Eis brechen muss.

Ob prominent oder nicht - man muss sich im Gefängnis darauf einstellen, dass es Hierarchien und Subkulturen gibt. "Das hängt mit der Straftat zusammen, aber auch mit der sozialen oder etnischen Herkunft." Man könne aber im Gefängnis unbeschadet seine Strafe absitzen, stellt der Seelsorger klar. „Das ist hier genauso, wie draußen auch. Menschen die draußen Schwierigkeiten haben, soziale Konflikte zu lösen, die haben sie auch hier. Sozial verträgliche Menschen kommen gut zurecht“, ist seine Erfahrung.

Die Gefängnisseelsorge bietet Häftlingen einen geschützten Ort, wo sie alles besprechen können, ohne dass etwas nach außen dringt. Eisermann hört von Drogenproblemen, Gewalt, schwierigen Familienverhältnissen. "Die meisten Kontakte im Gefängnis dienen einem Zweck, meist dem, den Haftverlauf zu beeinflussen." Psychologen und Sozialpädogen schreiben Berichte für Entscheidungsträger. Das ist bei Seelsorge nicht der Fall. So haben Häftlinge die Möglichkeit, sich mit sich selbst auseinander zu setzen.

Dabei stellen sich auch existentielle Fragen, zu Menschen und Werten, die ihnen im Leben wichtig sind. Auch Fragen über Gott und nach der Schuld, die sie mit sich herumtragen. Ob er schon einmal erlebt habe, dass ein Häftling durch die Haft geläutert wurde? "Ich erlebe immer wieder, dass sich Gefangene kritisch mit ihrer Biografie und ihrer Straftat auseinander setzen und das ist wertvoll. Auch wenn ich natürlich nicht weiß, ob es den Häftling zu einem besseren Menschen macht."

Von Janina Mogendorf

Zur Person

Thomas Eisermann ist seit 1996 als Seelsorger im Stafvollzug tätig. Seit sechs Jahren arbeitet er hauptamtlich in der JVA Mannheim.