Wieder treibt ein selbsternannter "Meisterlügner" auf Twitter sein Unwesen

Todesgrüße vom falschen Twitter-Kardinal

Veröffentlicht am 01.03.2017 um 13:55 Uhr – Lesedauer: 
Social Media

Bonn ‐ Kardinal Woelki ist jetzt auf Twitter! Oder? Nein – der gestern plötzlich aufgetauchte Account war eine Fälschung. Der Urheber sieht sich selbst als "Meisterlügner" – und hat es auf Papst Benedikt abgesehen.

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Schon wieder ein falscher Kardinal auf Twitter! Nachdem im Juni 2016 bereits ein Fake-Account von Kardinal Marx kurzfristig für Verwirrung sorgte, tauchte am Dienstagnachmittag der nächste deutsche Kardinal im Kurznachrichtendienst auf: @KardRMWoelki begrüßte seine Follower in Englisch und gebrochenem Deutsch, dies sei "mein Twitter account".

Ebenso wenig wie die Sprache war vertrauenserweckend, dass weder die Pressestelle des Erzbistums Köln noch die der Bischofskonferenz etwas davon wussten, dass der Kardinal (bisher ohne Social-Media-Profil) in die Schuhe des Fischers (@pontifex, mehrere Millionen Follower, oft Gegenstand von Fake News) gestiegen ist. Und schließlich ließ der Kardinal selbst über seinen Bistumssender Domradio dementieren.

Der falsche Woelki ließ sich davon nicht abhalten. Tweet Nr. 2: "ACHTUNG Papst Benedikt XVI ist tot.", war da im für den echten Woelki eher untypischen Kommisston zu lesen, und kurz darauf die wenig überraschende Auflösung: "This account is hoax created by Italian journalist Tommasso Debenedetti." Der Account sei ein Hoax, eine Falschmeldung, verantwortlich: der italienische Journalist Tommasso Debenedetti.

Meisterlügner mit Mission

Debenedetti ist kein Unbekannter: Seit Jahren legt der Italiener, der sich mal als Lehrer, mal als Journalist, mal als Aktivist bezeichnet, falsche Twitter-Accounts an. Mit dem Lügen kennt Debenedetti sich aus: Erstmals war er 2010 in den Schlagzeilen, als das Magazin "New Yorker" aufdeckte, dass er im großen Stil gefälschte Interviews in der italienischen Presse plazieren konnte – unter Debenedettis angeblichen Interviewpartnern waren mit Desmond Tutu und Kardinal Joseph Ratzinger bereits kirchliche Würdenträger.

Als Motiv gab der Italiener an, damit die schlechte Recherche und Gutgläubigkeit konservativer Publikationen aufdecken zu wollen. "Ich wäre gern Italiens Meisterlügner", sagte er in einem Interview nach seiner Aufdeckung.

Der Möchtegern-Meisterlügner verlegte seine Wirkungsstätte ins Netz. Seine Twitter-Fake-Accounts beschäftigten sich zunächst mit der Weltpolitik: Der russische Präsident Putin, der US-Whistleblower Edward Snowden, die Premierminister von Schweden und Dänemark und der russische Verteidigungsminister waren unter seinen ersten Opfern.

Immer wieder dieselbe Masche

Die Masche: Halbwegs glaubwürdige Profile anlegen, vielen anderen Accounts folgen, und darauf hoffen, dass durch seriöse Follower deren Seriosität auf den Account abstrahlt, wenn sie ohne Faktencheck dem Fake-Accout folgen. Mindestens zweimal konnte Debenedetti sogar die Verantwortlichen von Twitter selbst an der Nase herumführen – behauptet er jedenfalls in einem Interview gegenüber "Business Insider": Kurzfristig hätte das soziale Netzwerk seine Fälschungen von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier und des italienischen Ministerpräsidenten Mario Monti als "verifizierte Accounts" gekennzeichnet.

Debenedettis wohl größter Coup war es, im Sommer 2012 im Namen des russischen Innenministers Wladimir Kolokolzew den Tod des syrischen Diktators Assad zu vermelden. Die kuriose Folge zeigt die oft rätselhaften Verknüpfungen der Weltwirtschaft: Kurzfristig stieg der Preis für Terminkontrakte auf eine texanische Rohölsorte enorm an. Den Anstieg von 1 US-Dollar auf fast 92 US-Dollar pro Barrel erklärte das Wall Street Journal mit Debenedettis Tweets unter dem Alias des russischen Ministers.

Ähnliche Erfolge blieben seither aus. Der Meisterlügner kopiert sich stattdessen immer wieder selbst, nach dem immer gleichen Muster: Ein Willkommenstweet, kurz darauf eine spektakuläre Todesnachricht – zur Zeit muss der emeritierte Papst Benedikt regelmäßig dran glauben –, schließlich die Auflösung: "Dieser Account ist eine Fälschung des italienischen Journalisten Tommasso Debenedetti."

Abnutzungserscheinungen

Der falsche Kardinal Marx im Vorjahr konnte noch eine gewisse Öffentlichkeit erzeugen. Der Fake-Woelki dagegen stieß bestenfalls auf Desinteresse. Hatten eine Handvoll Twitter-Nutzer dem angeblichen Kardinal nach seinem ersten Tweet noch einen Vertrauensvorschuss gegeben, reagierte auf die erwartbare Todesnachricht schon niemand mehr ernsthaft.

Der Twitter-Account gibt vor, der Erzbischof von Straßburg zu sein.
Bild: ©Screenshot von twitter.com

Immer dieselbe Masche – erst die Begrüßung, dann die Todesbotschaft, dann die Auflösung.

Man muss sich Debenedetti aber als einen glücklichen Menschen vorstellen: Er lässt sich nicht beirren, nach dem Fake ist für ihn vor dem Fake. Nächstes Ziel: Der französische Bischof Luc Ravel. Noch am Dienstagabend twitterte der mittlerweile in @MgrLucRavel umbenannte vormalige Woelki-Account ein fröhliches "Bienvenues". Am Morgen darauf die obligatorische Todesnachricht: Der künftige Erzbischof von Straßburg (der zwar ernannt, aber noch nicht im Amt ist) will von Kurienkardinal Tauran erfahren haben, dass (Breaking!) "Pape émérite Benoît XVI" im Vatikan gestorben sei. Reaktionen darauf: Keine. Kein Retweet, kein Like, keine Antwort.

Der Meisterlügner schickt trotzdem sein Bekennerschreiben nach: "Faux compte crèe par le journaliste italien Tommasso Debenedetti". Ein weiterer Fake-Account von Tommasso Debenedetti.

Reaktionen: Keine.

Die nächste Falschmeldung sollte zunächst aus Berlin kommen: Der Account wurde kurzfristig umbenannt in @ErzbBerlin, um kurz darauf zu @ErzbHamburg zu werden.

Von Felix Neumann

Linktipp: Bischof Fürst warnt vor Fake News

Sie wollen die gesellschaftliche Stimmung manipulieren und sind nur schwer von echten Nachrichten unterscheidbar. Auf Fake News gibt es laut Medienbischof Fürst nur eine Antwort.

Neue Entwicklungen

Nachtrag, 1. März 2017, 14.35 Uhr: Der Fake-Account wurde mittlerweile von Twitter gesperrt.

Nachtrag, 2. März 2017, 14.30 Uhr: Ein neuer Account ist aufgetaucht, dieses Mal unter dem Namen des Paderborner Erzbischofs Hans-Josef Becker. Auch @ErzBecker ist eine Fälschung nach dem alten Muster, wie die Pressestelle des Erzbistums Paderborn gegenüber katholisch.de bestätigte. Die unzutreffende Todesnachricht bezog sich dieses Mal auf Kardinal Lehmann.

Unterdessen erklärt das bisher nicht betroffene Bistum Mainz ebenfalls auf Twitter (per echtem Account), dass der Mainzer Altbischof Kardinal Karl Lehmann nicht twittere. Echt dagegen ist @weihbischof_mz – dahinter steckt der Mainzer Weihbischof Udo Bentz.

Nachtrag, 2. März 2017, 17.30 Uhr: Der Paderborner Erzbischof ist weg, dafür war kurzfristig ein falscher Erzbischof von Salzburg da, der schnell in den falschen Dresdner Bischof geändert wurde.

Nachtrag, 27. Dezember 2017, 20 Uhr: Seit Weihnachten sind zwei falsche deutsche Kardinäle unterwegs: @KardMueller und @KardinalRMarx.

Nachtrag, 3. Januar 2018, 11.30 Uhr: @ErzBerlin taucht auf und vermeldet prompt den angeblichen Tod von Kardinal Gerhard Ludwig Müller. Der echte Berliner Erzbischof twittert unter @ErzbischofKoch. 16 Uhr: Kurzfristig wurde der Account auf den emeritierten Krakauer Erzbischof Stanisław Dziwisz umgewidmet, um schließlich als @ArcJedraszewski vorzugeben, Dziwisz' Nachfolger Marek Jędraszewski zu sein.

Nachtrag, 12. Januar 2018, 14 Uhr: Noch am Vortag große Freude: @BischofGebhard ist echt! Das bestätigte die Pressestelle der Diözese Rottenburg-Stuttgart gegenüber katholisch.de. Am Freitag dann der nächste Fake-Kardinal: Unter dem Account @KardKNycz twittert der angebliche Kardinal Kaziemierz Nycz, Erzbischof von Warschau.

Nachtrag, 12. April 2018, 14.50 Uhr: Der zukünftige Bischof von Hildesheim, Heiner Wilmer, hat keinen Twitter-Account – nach Auskunft der Hildesheimer Pressestelle ist der Account @HeinerWilmerSCJ eine Fälschung.

Nachtrag, 8. August 2018, 14.35 Uhr: Eine Weile war es ruhig um den "Meisterfälscher", jetzt kündigt wieder ein falscher Kardinal den Tod von Benedikt XVI. an: @CardRGomez. Ergänzung: Um 18.48 Uhr hat sich die Erzdiözese Bogota auf Twitter dazu geäußert: "Der Kardinal hat seinen Twitteraccount vor Monaten geschlossen und kommuniziert nicht über dieses Medium."

Nachtrag, 24. Dezember 2018, 12.40 Uhr: Pünktlich zu Weihnachten gibt es wieder einen falschen Bischof: @GmurBasel stellt den Baseler Bischof Felix Gmür dar. Ergänzung: Am 27. Dezember gegen Mittag wieder das alte Spiel: 15.18 Uhr: "Emeritierter Papst Benedikt XVI ist tot.", 15.51 Uhr: "This account is hoax created by Italian journalist Tommasso Debenedetti." 

Nachtrag, 4. März 2020, 14 Uhr: Einige Zeit war Ruhe; Tommasso Debenedetti hatte sich seit dem letzten falschen Bischof vor allem auf Politiker konzentriert. Nach der Wahl von Kardinal Omella zum Vorsitzenden der spanischen Bischofskonferenz hat er aber seinen alten Werkzeugkasten wieder ausgepackt: @CardOmella vermeldete kurz nach einer Begrüßung den Tod von Benedikt XVI, danach folgte die Auflösung wie gehabt.

Nachtrag, 10. März 2020, 15.30 Uhr: Der neue Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz ist nicht auf Twitter – @BischofBaetzing ist ein Debenedetti-Account, und ein schlechter noch dazu: "Vorsitzender der Deuetschen Bischofskonferenzen" steht in der Account-Bio.