Matthias Drobinski über die G20-Gewalttäter

Eure Wut ist nicht der heilige Zorn

Veröffentlicht am 10.07.2017 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Standpunkt

Bonn ‐ Matthias Drobinski über die G20-Gewalttäter

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In den vergangenen Tagen, bei den Protesten gegen den G 20-Gipfel in Hamburg, hat man sehen können, worin sich Zorn und Wut unterscheiden. Der Zorn hat eine Richtung. Der Zornige empfindet einen Zustand als empörend, er leidet daran, dass Welt und Leben nicht so sind, wie sie sein sollen. Jesus war zornig, als er im Tempel die Tische der Geldwechsler umstieß; es war der Zorn des Gerechten. Am "Tag des Zorns", so heißt es in der Bibel, wird Gott sein Urteil  über die Gewalttäter und Sünder fällen.

Das heißt nicht, dass jeder Zornige automatisch im Auftrag des Herrn unterwegs ist. Er kann auf dem Holzweg sein und die falschen Tische umschmeißen, er kann blind werden für alle Einwände und Grenzen, er kann sich versteigen bis zur Raserei. Aber er kämpft mit offenem Visier. Er unterbricht die Ruhe und Gemütlichkeit. Diesen Zorn braucht eine Demokratie. Sie braucht Menschen, die lauthals ein Unrecht Unrecht nennen, die sich nicht zufrieden geben wollen mit dem Kompromiss. Deshalb haben die Eltern des Grundgesetzes und mehrere Generationen Verfassungsrichter dem Demonstrationsrecht einen so hohen Rang eingeräumt: Die Demonstration ist der legitime Ort dieses Bürgerzorns, er ist ein Grundrecht und keine hoheitliche Gnade, die bei zu hohen Kosten nicht mehr gewährt zu werden braucht. Zum Glück ist das so. Es brauchte bei diesem G-20-Gipfel Menschen, die pfeifend und trommelnd denen den Marsch blasen, die den nationalen Egoismus über das Wohl der Menschheit stellen.

Was es nicht brauchte: die blinde und ziellose Wut der linksautonomen Gewalttäter, die um ihrer selbst willen wütete, die ihre verquere Widerstandsrhetorik zum Vorwand nahmen, um Brandsätze und Pflastersteine auf Polizisten zu werfen, zu brandschatzen und zu plündern. Das Ziel dieser Wut ist die Zerstörung, auf die Würde und die Rechte des Menschen spuckt sie - oder kotzt, bei zu viel Bier im Blut. Der Blindwütige ist der Feind des gerechten Zorns. Das haben leider auch nach der Gewaltnacht im Schanzenviertel ziemlich viele aus der linksradikalen Szene nicht verstanden, als ihre einzige Kritik war, die Jungs hätten sich leider das falsche Viertel ausgesucht. Da kann einem schon mal der Zorn hochkommen.

Von Matthias Drobinski

Der Autor

Matthias Drobinski ist Redakteur bei der "Süddeutschen Zeitung" und dort unter anderem für die Berichterstattung über Kirchen und Religionsgemeinschaften zuständig.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.