Marx stand zwei Amtszeiten an der Spitze der EU-Bischofskommission

Kardinal Marx gibt COMECE-Vorsitz ab

Veröffentlicht am 07.03.2018 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Europa

Brüssel ‐ Sechs Jahre lang war Kardinal Reinhard Marx Vorsitzender der EU-Bischofskommission COMECE. Die Spaltung der Kirche in Europa beim Thema Migration prägte sein Mandat – nun gibt er den Staffelstab weiter.

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Das Thema Migration bewegte in den vergangenen Jahren nicht nur den politischen Diskurs in Europa, sondern auch in der katholischen Kirche. Nicht einfach für Kardinal Reinhard Marx (64), die COMECE durch diese Zeit zu führen. Denn Bischofskonferenzen in Mittelost- und Westeuropa sind uneins bei dem Thema. Auch Marx' Doppelfunktion seit 2014 als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz und COMECE-Präsident machte diese Aufgabe nicht einfacher.

In Deutschland steht Marx nicht fern von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) - für eine den Flüchtlingen zugewandte Politik. Das wiederum ist nicht die von weiter östlichen Bischofskonferenzen, etwa in Polen. Doch Marx hat sich immer wieder um Kontakt und Dialog bemüht. Das Problem ist freilich so komplex, dass es nicht nur die Kirche wohl noch Jahre begleiten wird. Marx habe versucht, das Anliegen von Papst Franziskus in der Migrationsfrage zu stärken, lobt der österreichische Pastoraltheologe Paul Zulehner.

Viele Beschlüsse – doch keiner zur Migration

Die COMECE verfasste unter Marx Stellungnahmen zu Themen wie der EU-Sozialpolitik, der Außen- und Sicherheitspolitik, dem Handelsabkommen TTIP und den Beziehungen der EU zur Afrikanischen Union (AU). Was fehlt, ist eine Positionierung zur Migrations- und Flüchtlingspolitik. Dabei könnte die COMECE in diesem Bereich derzeit beim Thema Migration etwas bewegen. Die EU-Institutionen reformieren das europäische Asylsystem seit Mai 2016.

Das Thema Migration sorgte auch für einen der Zwischenfälle bei der COMECE unter Marx' Ägide. Nachdem sich die Polnische und Ungarische Bischofskonferenz über zwei Artikel des katholischen Europamagazins "Europe Infos" zur Lage in ihren Ländern beschwert hatten, ließ der Vorsitzende im Frühjahr 2016 beide Artikel löschen. Die Publikation wird von der COMECE und dem Europäischen Sozialzentrum der Jesuiten (JESC) herausgegeben. Der Chefredakteur von "Europe Infos", der Jesuit Martin Maier, forderte damals im Leitartikel der darauffolgenden Ausgabe eine verbesserte Dialogkultur in der Kirche.

Debatten über die Zukunft Europas

Dialog - das war auch eines der Schlüsselworte bei einem der Meilensteine in der Präsidentschaft von Marx. Bei der Veranstaltung "(Re)Thinking Europe" in Rom im Oktober 2017 diskutierten 350 hochrangige Teilnehmer aus Politik, Wissenschaft und Kirche über die Zukunft der EU. Nie zuvor organisierte die EU-Bischofskommission eine Veranstaltung in dieser Größenordnung zusammen mit dem Vatikan. Papst Franziskus forderte damals von den Regierenden, der Flüchtlingsfrage mit Klugheit und Herz zu begegnen.

Bild: ©KNA

Papst Franziskus spricht bei dem Kongress "(Re)thinking Europe" der EU-Bischofskomission COMECE am 28. Oktober 2017 im Vatikan.

Marx betonte, das Ende der Veranstaltung dürfe nicht das Ende der Bemühungen und Diskussionen sein: "Es ist eine wirklich wichtige Stunde für Europa - da dürfen wir als Christen nicht abseitsstehen, sondern müssen uns engagieren." Das sei nicht nur der Auftrag der COMECE als Institution, sondern für alle Christen in Europa.

Besonders viele Initiativen hat der Vorsitzende in der zweiten Hälfte seines Mandats angestoßen. Ein Grund dafür könnte die Zusammenarbeit mit dem neuen COMECE-Generalsekretär Olivier Poquillon (51) sein. Der Franzose übernahm das Amt im September 2016. Seitdem teilt die COMECE mehr über ihre Aktivitäten und zu aktuellen Themen mit. Auch die Migration bleibt nicht außen vor. So war im Dezember zu lesen, dass die Arbeitsgruppe Migration und Asyl ihren Schwerpunkt auf Afrika legen will. Im Mai diskutierte ein kongolesischer Erzbischof in Brüssel mit Vertretern von EU-Institutionen über die Ursachen der Migration.

Und auch Marx änderte seine Position zu Migration leicht. Zuletzt warb er im Dezember für Augenmaß in der Debatte. "Es können nicht in jedem Jahr eine Million Menschen zu uns kommen", sagte er. Die "entscheidende Frage" aber sei, wie man "nun in humanitärer und menschenrechtlich akzeptabler Weise vorgeht".

Von Franziska Broich (KNA)

Stichwort: COMECE

In der EU leben rund 273 Millionen Katholiken. Das entspricht einem Anteil von 54 Prozent der Bevölkerung. Die EU-Bischöfe sind vertreten in der Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft, kurz COMECE (lat.: Commissio Episcopatum Communitatis Europensis). Sie setzt sich aus delegierten Bischöfen der 28 katholischen Bischofskonferenzen der EU zusammen. Die Schweizer Bischofskonferenz ist assoziiertes Mitglied. Die COMECE verfügt über ein ständiges Sekretariat mit Sitz in Brüssel. Sechster Vorsitzender in ihrer fast 35-jährigen Geschichte ist derzeit der Erzbischof von München und Freising und Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx (61). Die COMECE entstand im Zuge der ersten Direktwahlen zum Europaparlament 1979. Als Verbindungsstelle zur EU-Politik ähnelt sie den Katholischen Büros in Deutschland. Auch dort halten Kirchenvertreter Kontakt zu Parlamenten und Regierungen in Bund und Ländern und versuchen, Politik im Sinne der Kirche mitzugestalten. Deutsche Vertreter prägten Struktur und Inhalte der COMECE entscheidend mit. Von den bislang sechs Vorsitzenden kamen drei aus Deutschland: Gründungspräsident war der Bischof von Essen, Franz Hengsbach (1982-1984). Auf ihn folgten Bischof Josef Homeyer von Hildesheim (1993-2006) und seit 2012 Marx. Ihre Arbeitsthemen reichen von Religion und Staat über die Rolle der EU in der Welt (mit Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik, Handel) bis zu Gesellschaftsfragen (soziale Probleme, Forschung und Bioethik, Bildung und Jugend, Förderung von Demokratie). Eine wichtige Rolle spielen auch die Themen Recht, Frieden und Gerechtigkeit, etwa in den Bereichen Menschenrechte, Asyl und Justiz. (KNA)