Verschwörungstheoretiker tyrannisieren texanische Gemeinde

Die Leugnung eines Kirchenmassakers

Veröffentlicht am 13.03.2018 um 11:50 Uhr – Lesedauer: 
Kriminalität

Washington ‐ Die Baptistengemeinde in Sutherland Springs will nur in Ruhe trauern. Im November starben hier 26 Menschen bei einem Massaker. Verschwörungstheoretiker behaupten nun aber: Die Tat hat nie stattgefunden.

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Robert Ussery bietet auf seiner Website "Side Thorn Journalist" 100.000 Dollar Belohnung für "den Beweis eines Todesfalls in einer dieser gestellten Ereignisse". Gefolgt von einer Liste mit 32 Massenschießereien und Terroranschlägen der vergangenen Jahre: dem Massaker an der Schule in Parkland, Florida; der Sandy Hooks Elementary School; schließlich dem Blutbad in Sutherland Springs. Ussery erklärt, nichts von alledem habe je stattgefunden; die Ereignisse seien allesamt nur inszeniert worden. Die Toten und Verwundeten? Angeheuerte "Krisen-Schauspieler".

Fast besessen scheinen Ussery und seine Partnerin Jodi Mann, die im Internet als die "Verschwörungs-Oma" bekannt ist, von dem strahlend weißen Holzkirchlein der "First Baptist Church" von Sutherland Springs, Texas. Es ist die einzige Kirche in dem 350-Seelen-Ort gleich hinter der Kreuzung des Highway 87 und der Farm Road 539. Dort tauchten Ussery und Mann kürzlich persönlich auf. Mit einer handgemalten Tafel und der Aufschrift: "Die Wahrheit macht euch frei". Die Botschaft war an jene Gemeinde gerichtet, die im November 26 Angehörige verlor, als ein Massenmörder in die Kirche kam und das Feuer auf die Gläubigen eröffnete.

Pfarrer verlor seine Tochter - und soll Beweis vorlegen

Pfarrer Frank Pomeroy verlor seine 14-jährige Tochter Annabelle. Statt Mitgefühl gaben Ussery und Mann dem trauernden Vater wahren Psychoterror. Er möge doch mit der Geburtsurkunde seiner Tochter beweisen, dass es die Teenagerin überhaupt gegeben habe. Er stehe in dringendem Verdacht, mit dem Heimatschutzministerium gemeinsame Sache für einen Fake gemacht zu haben.

Ziel sei es, so die Verschwörungstheoretiker, rechtstreuen Amerikanern ihr verfassungsmäßiges Recht zu nehmen, Waffen zu tragen. Auch andere Gemeindemitglieder gerieten ins Visier Usserys und Manns, die sie über das Internet monatelang tyrannisierten. Pfarrer Pomeroy stellte die beiden vor dem Gotteshaus zur Rede. Das Gespräch eskalierte zu einem handfesten Streit. Ussery drohte, er werde den Pfarrer "an einen Baum hängen" und seinen Leichnam schänden.

Nach dem Massaker in Sutherland Springs sichern Einsatzkräfte den Tatort an der Baptistenkirche ab.
Bild: ©picture alliance / ZUMA Press / Edward A. Ornelas

Nach dem Massaker in Sutherland Springs sichern Einsatzkräfte den Tatort an der Baptistenkirche ab.

Gemeindemitglieder beobachten die Auseinandersetzung und riefen die Polizei. Die Beamten führten die beiden wegen Hausfriedensbruchs in Handschellen ab. Nun teilten sie auf ihrer Website mit, sie seien "zu 100 Prozent unschuldig" - denn alles, was sie sagten, sei wahr. "Das waren Übungen mit Krisendarstellern, die der Öffentlichkeit für wahr verkauft worden seien. Keine Toten. Keine Verwundeten."

Wer wissen will, was los war, braucht eigentlich nur Johnnie Langendorff zu fragen. Er hatte mit seinem Truck den ganz in Schwarz gekleideten Attentäter verfolgt. Dieser rannte mit einer Pistole aus der Kirche Richtung Auto; hinter ihm her ein anderer mit einem Gewehr. Der Flüchtende sprang in einen SUV und raste davon.

Der Attentäter tötete sich selbst

Kurz darauf stand der Verfolger des Attentäters mit dem Gewehr neben Langendorff, berichtete von dem Massaker in der Kirche. Die beiden Fremden jagten im Truck mit 150 Stundenkilometern hinter dem mutmaßlichen Mörder her. Während der Verfolgsjagd hielt Johnnie via Notruf Kontakt mit der Polizei. Dank dem beherzten Eingreifen der beiden konnte der Täter gestellt werden - doch vor dem Zugriff nahm er sich selbst das Leben. Tot, ebenso wie seine 26 Opfer im Alter von 5 bis 72 Jahren, die er in dem Gotteshaus niedermetzelte.

Pastor Pomeroy fehlen noch immer die Worte, wie jemand diese Tragödie ernsthaft abstreiten kann. Hinnehmen will die Gemeinde den Psychoterror nach dem Terror nicht mehr. Die Menschen in Sutherland Springs wollen endlich in Ruhe trauern dürfen.

Von Thomas Spang (KNA)