"Dort, wo die Menschen sind"

Frage: Frau Rüttiger, was zeichnet das Jahr des Glaubens speziell im Erzbistum München und Freising aus?
Rüttiger: Es gibt eine große Vielfalt von Angeboten in unseren Pfarreien, Verbänden, Gemeinschaften: Gottesdienste, Gespräche über den Glauben, Bildungsveranstaltungen, Begegnungsangebote, eine Mitmachaktion. Viele verschiedene Gruppen beteiligen sich und versuchen, den Menschen Anregungen zu einer Auseinandersetzung mit ihrem Glauben zu bieten. Herausragend sind sicher die von Kardinal Reinhard Marx angebotenen Glaubensgespräche. Sie sollten nicht an einem zentralen Ort, etwa im Münchner Liebfrauendom, stattfinden, sondern in den unterschiedlichen Regionen der Erzdiözese, eben dort, wo die Menschen sind. So ist die Idee entstanden, an sechs verschiedenen Orten mit sechs verschiedenen Personengruppen zu sprechen. Alle sechs Glaubensgespräche tragen die Überschrift "Credo", also das Apostolische Glaubensbekenntnis.
Frage: Die Glaubensgespräche mit Kardinal Marx stehen also im Mittelpunkt. Können Sie einen kurzen Abriss über die bisherigen fünf Gespräche geben?
Rüttiger: Ausgangspunkt ist der Satz "Ich glaube…". Wir haben den Gesprächen dann jeweils Schwerpunkte zugeordnet: "Ich glaube an Gott", "…an Jesus Christus", "…an den Heiligen Geist", "…an die Kirche", "…an die Vergebung der Sünden", und am kommenden Samstag: "Ich glaube an die Auferstehung". Es war uns wichtig, den gesamten Spannungsbogen des Credos aufzugreifen. Bei den Personengruppen haben wir mit Schülerinnen einer diözesanen Schule in München angefangen, waren dann in der Muffathalle mitten in der Münchner Kulturszene, später mit Firmlingen auf dem Chiemsee und mit jungen Erwachsenen in den Berchtesgadener Bergen unterwegs. Das waren natürlich besondere Herausforderungen, die Glaubensgespräche mit jungen Menschen, die Szenarien, in denen man Kirche zunächst nicht vermutet.
Frage: Sie haben schon kurz das Thema der kommenden und zugleich letzten Veranstaltung, nämlich die Auferstehung, angesprochen. Worum wird es am Samstag genau gehen?
Rüttiger: Zielgruppe des Gesprächs werden junge Familien sein. Bei Workshops in Schulen haben sich Kinder bereits mit dem Thema "Tod und Auferstehung" auseinandergesetzt und Bilder dazu gemalt. Die werden am Samstag in einer Vernissage gezeigt. Das Glaubensgespräch beginnt mit drei Statements inklusive Fragen zum Thema, die von Anwesenden vorgebracht werden: von der Leiterin der Grundschule, in der wir zu Gast sind, von einem Familienvater und dem neunjährigen Lucas. Diese Aussagen fließen auch in die anschließende Katechese des Kardinals mit ein. Danach findet eine Dialogphase statt: erst tauschen sich die Teilnehmer untereinander aus, dann mit Kardinal Marx. Zum Abschluss sprechen wir miteinander das Glaubensbekenntnis. Und nach dem allgemeinen Segen besteht die Möglichkeit, dass sich die Kinder vom Kardinal persönlich segnen lassen.
Frage: Zum Dialog über den Glauben bedarf es eines gewissen Grundverständnisses. Wie viel Wissen über den eigenen Glauben kann man heute aber noch voraussetzen?
Rüttiger: Das ist sehr unterschiedlich. Es kommt natürlich darauf an, wer an diesen Glaubensgesprächen teilnimmt. Von den Teilnehmern wird meist das vorgebracht, was mit ihrem Leben ganz konkret zu tun hat. Bei der Veranstaltung zum Thema "Ich glaube an die Vergebung der Sünden" war gerade die Handreichung zum Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen in der Erzdiözese Freiburg erschienen, da spielte dieses Thema natürlich eine Rolle. Es gibt Überlegungen, die Glaubensgespräche weiterzuführen und dabei auch neue Themen aufzugreifen. Die Menschen sollen merken: "Hoppla, das hat ja direkt mit meinem Glauben und meinem Leben zu tun." Am Samstag wird das vielleicht noch einmal leichter sein als bei den Veranstaltungen zuvor, da wir alle Erfahrungen mit dem Tod machen. Es ist ein sehr existenzielles Thema.
Frage: Alle Veranstaltungen liefen unter der Formel "Ich glaube…" Was bedeutet dieses "Ich glaube…" für Sie persönlich?
Rüttiger: Mein Glaube bietet mir immer wieder Orientierung im Alltag und zeigt mir, auf was es im Leben wirklich ankommt. Ich möchte mein Leben und die Art und Weise, wie ich es gestalte, vor Gott verantworten können. Mein Glaube ist für mich der tragende Grund in meinem Leben.
Das Interview führte Björn Odendahl