Wie das Hirtenwort auf Social Media kommt

Pro und Contra: Müssen Bischöfe Twitter nutzen?

Veröffentlicht am 14.04.2018 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Der Twitter-Account des Papstes zu Zeit von Benedikt XVI., gesehen von einem Smartphone.
Bild: © KNA
Social Media

Bonn ‐ Bischöfe sind Personen des öffentlichen Lebens – und sollten deshalb auch auf Twitter debattieren, sagt katholisch.de-Redakteur Tobias Glenz. Sein Kollege Gregory Elson hält das nicht immer für nötig.

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Pro: Alle Kanäle bespielen!

"Traut euch endlich!", möchte man ihnen zurufen. Denn weshalb bislang so wenige Bischöfe die sozialen Netzwerke nutzen, erschließt sich mir wenig bis gar nicht. Wenn die Kirche ihren Verkündigungsauftrag ernst nimmt, gerade auch jüngere Menschen für sich gewinnen möchte, dann sollte und muss sie sich doch sämtlicher Kommunikationswege bedienen – und nicht bloß der althergebrachten. Erst kürzlich hat der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki darauf aufmerksam gemacht, dass Kirche bei Facebook und Twitter präsent sein muss. Dem ist voll und ganz beizupflichten.

Warum also dann die scheinbare Scheu vieler Bischöfe vor den modernen Kommunikationsformen? Natürlich: Wer sich etwa einen Twitter-Account zulegt, dort wirklich aktiv ist, der kann sich auch zur Zielscheibe machen. Hate Speech oder Shitstorm lauten die Stichworte. Wenn ich eine pointierte Meinung vertrete, an Debatten teilnehme, Stellung beziehe, dann bekomme ich mitunter heftigen Gegenwind. Aber: Solche Ängste können und dürfen doch nicht die Kommunikation der Kirche einschränken.

Nicht jeder Mensch muss auf sämtlichen Kanälen im Internet präsent sein. Doch wer Oberhirte eines Bistums ist, ist auch eine Person des öffentlichen Lebens. Und als solche sollte er auch am öffentlichen Diskurs in den sozialen Netzwerken teilnehmen – so wie es die meisten Politiker, Musiker oder Schauspieler tun. Außerdem hat ein Oberhirte prinzipiell die Pflicht – gerade angesichts immer leerer werdender Kirchenbänke –, seine Schafe durch sämtliche, ihm zur Verfügung stehenden Mittel zu erreichen. Er muss dorthin gehen, wo die Menschen sind – und das ist in der heutigen Zeit nun mal zunehmend das Internet.

Selbstverständlich muss man es "richtig" machen: Wenn ich mir einen Account bei den einschlägigen sozialen Netzwerken zulege, dann muss ich auch selber präsent sein, regelmäßig etwas veröffentlichen, im Gespräch bleiben. Dann darf ich nicht unter meinem Namen andere Leute die Arbeit machen lassen, sondern meine Tweets oder Posts müssen erkennbar meine Handschrift tragen – sonst verkommt das Ganze schnell zur einer Fake-Präsenz, die die User durchschauen.

Auch die bewährten Wege der bischöflichen Kommunikation dürfen nicht außer Acht gelassen werden: Verlautbarungen über die Pressestelle, Hirtenbriefe, Stellungnahmen in der Kirchenzeitung. Diese Kommunikationswege sollten erhalten bleiben, doch erreicht man darüber wohl eher die Kernklientel. Wer die Kirchenferneren ansprechen möchte, der nutzt die sozialen Netzwerke. Auch in den 140 bis 280 Zeichen einer Twitter-Nachricht kann ich den Menschen eine Botschaft vermitteln, Verkündigung betreiben – Papst Franziskus macht es seit einigen Jahren erfolgreich vor. Also, liebe Bischöfe: Nur Mut, und sämtliche Kanäle bespielen!

Von Tobias Glenz
Bischof Gebhard Fürst bei Twitter
Bild: ©BDKJ

Ein Smartphone mit dem Twitter-Account des Medienbischofs Gebhard Fürst.

Contra: Bischöfe in Social Media? Muss nicht.

"Die Kirche muss dahin, wo die Menschen sind!" Mit diesem Ausspruch wird vielerorts eine Lanze für mehr Engagement der katholischen Kirche in den sozialen Netzwerken gebrochen. Das ist auch richtig so! Ist doch Social Media aus dem privaten und gesellschaftlichen Leben in Deutschland nicht mehr wegzudenken. Blickt man auf die aktuellen Statistiken, die weiteres Wachstum prognostizieren, wird das wohl auch noch länger so bleiben.

Daraus folgt jedoch nicht, dass jetzt unbedingt jeder Bischof eigene Social-Media-Accounts betreiben muss. Auch wenn für manche die Zahl der twitternden Bischöfe höher sein könnte, ihnen daraus gleich eine allgemeine Furcht vor dem Dialog zu konstatieren, hilft dem größeren Anliegen nur bedingt. Natürlich wünschen wir uns dialogfreudige Oberhirten, die das Internet sowie dessen Dynamiken, vor allem in den sozialen Netzwerken, verstanden haben und aktiv mitgestalten wollen. Doch bei der Frage, wie die Kirche das Internet dialogisch besser nutzen kann, muss die reflexartige Antwort nicht immer der neu eingerichtete Account des Bischofs sein.

Der Impuls ist zu verständlich, immerhin ist der "Promi-Faktor" eines Bischofs mit das wichtigste Asset im kommunikationsstrategischen Arsenal eines Bistums und somit der gesamten katholischen Kirche. Aber eine zu bürokratische Abwicklung eines Bischofs-Accounts durch einen Stab an Medienleuten birgt auch die Gefahr, den "Celebrity-Bonus" zu verspielen. Statt auf Biegen und Brechen die Oberhirten für Social Media zu verpflichten, sollten die kirchlichen Medienprofis das gesamte mediale Spektrum nutzen und die Kommunikation auf die Gesetzmäßigkeiten des jeweils gewählten Kanals abstimmen.

Im Fall von Social Media ist das eine direkte, authentische und daher höchst persönliche Form der Ansprache. Wenn das ein Bischof kann und die Social-Media-Dynamiken samt Trollen, Hate Speech und Shitstorms kennt, dann ist das eine tolle Sache. Bevor man sich jedoch ein krudes Konstrukt einfallen lässt, um irgendwie seinen Bischof für Social Medial zu verpflichten, der dann dort nur wie ein Fisch auf dem Trockenen agiert, sollte man anderen Menschen in der Kirche den Vortritt lassen. Denn kirchliche Kommunikation ist mehr als nur der Bischof!

Die Medienlandschaft bietet aktuell so viele, noch nie dagewesene Formen der Kommunikation. Viele davon hat die Kirche nur teilweise erschlossen. Es gibt also noch einiges zu tun! Mehr als die bischöfliche Kommunikation alleine abwickeln kann.

Von Gregory Elson