"Heilsame Prägung des Jahreslaufs"
Mit dem heutigen Tag, dem Aschermittwoch , beginnen wir die so genannten "Heiligen Vierzig Tage" der Vorbereitung auf das Osterfest. Sie bilden durch ihren besonderen Charakter für mich immer wieder aufs Neue eine heilsame Prägung des Jahreslaufs. Das zeigt schon ein Blick auf die Gottesdienste in dieser Zeit: unsere Kirchen ziert kein Blumenschmuck, die Orgel spielt verhaltener, Priester und Diakon tragen Gewänder in der violetten Bußfarbe.
Die äußeren Zeichen erinnern uns daran, dass sich auch unsere innere Haltung verändern soll: Wir Christen sind aufgerufen, in diesen Tagen anders zu leben als gewöhnlich.
Den Auftakt kennzeichnet ein eindrucksvolles Symbol. Es gehört für mich mit zum Beeindruckendsten, das die Kirche in ihrem Schatz von heiligen Zeichen für die Gläubigen bereithält. Ich meine das Aschenkreuz. Nach den ausgelassenen "tollen Tagen" des Karnevals wird es den Besucherinnen und Besuchern des Gottesdienstes auf die Stirn gezeichnet - bereitet aus der Asche der verbrannten Palmzweige des Vorjahres.
Dazu hören wir das uns regelrecht erschütternde Deutewort, das dem ersten Buch der Heiligen Schrift, dem Buch Genesis, entlehnt ist: "Bedenke, Mensch, dass du Staub bist und wieder zum Staube zurückkehren wirst" (vgl. Gen 3,19). So hart die Worte klingen und so hart uns das Zeichen erscheint: beides führt uns nur die Wirklichkeit vor Augen. Gott liebt uns Menschen, es ist seine Freude, bei uns zu wohnen - aber wir sind eben Geschöpfe. Letztlich hängt unser Leben vom Willen eines anderen ab.
Viele schöne Dinge sind uns in dieser Welt von Gott geschenkt, uns an ihnen zu erfreuen und sie zu genießen. Daran ist nichts Verwerfliches - wenn sie nicht ganz und gar zum Mittelpunkt unseres Lebens werden. Manchmal erkennen wir erst dann, wenn wir auf eine Sache ausdrücklich verzichten, wie "gefangen" uns dieses oder jenes hält: beispielsweise bestimmte Speisen und Getränke, aber auch übermäßiger Fernseh- oder Internetkonsum oder ganz einfach das unkontrollierte Ausgeben von Geld mit der Absicht, alles und jedes haben zu wollen.
Verzicht hat einen tieferen Sinn
Der Verzicht, den wir in den Tagen der heute beginnenden österlichen Bußzeit auf uns nehmen, hat einen tiefen Sinn. Er soll uns wieder auf die eigentliche Mitte unseres Lebens ausrichten: auf Gott und seine Liebe, die er uns schenkt. Das ist unbequem - so wie es immer unbequem ist, aus liebgewordenen und eingefahrenen Bahnen, in denen man es sich gemütlich gemacht hat, auszusteigen.
Papst Franziskus weist in seiner diesjährigen Botschaft zur Fastenzeit ausdrücklich darauf hin, wenn er, bezogen auf die Armut als einen möglichen Aspekt des Verzichtes, schreibt: "Vergessen wir nicht, dass wahre Armut schmerzt: Ein Verzicht, der diesen Aspekt der Buße nicht einschließt, wäre bedeutungslos. Ich misstraue dem Almosen, das nichts kostet und nicht schmerzt."
Der Autor
Hans-Josef Becker (*1948) ist seit 2003 Erzbischof des Erzbistums Paderborn. Außerdem ist er Vorsitzender der Kommission "Erziehung und Schule" der Deutschen Bischofskonferenz sowie Mitglied der "Gemeinsamen Konferenz" der Bischofskonferenz und des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK).Wie unser Opfer konkret aussehen kann, stellt uns Jesus im Abschnitt des heutigen Tagesevangeliums vor Augen. "Wenn du Almosen gibst...", "Wenn ihr betet...", "Wenn ihr fastet...": so lautet seine Aufzählung (vgl. Mt 5,1-6.16-18). Damit nennt er die drei traditionellen Arten des Verzichts: das Spenden von Geld für die Armen und Notleidenden, das Sich-Ausrichten auf Gott im Gebet und die Einschränkung in der Nahrung.
Jesus weist jedoch gleichzeitig eindringlich darauf hin: All dieses Tun ist völlig sinnlos, ja heuchlerisch, wenn ihm die Seele fehlt - also eine Grundüberzeugung, die hinter allem steht. Sie besteht darin, frei zu werden für Gott. "Kehrt um und glaubt an das Evangelium." (Mk 1,15) Das ist wohl die Herzmitte der Frohen Botschaft.
Tag für Tag beten wir im Vaterunser mit den Worten, die Jesus uns gelehrt hat: "Dein Wille geschehe." Und doch sind es - wenn wir ehrlich sind - vielfach unsere eigenen Interessen und Wünsche, die die erste Priorität haben. Die vor uns liegende österliche Bußzeit ist eine gute Gelegenheit, all das aus unserem Leben beiseite zu schaffen, was uns den Blick auf Gott verstellt - und damit seinem Willen für unser Leben wieder neu auf die Spur zu kommen.