Standpunkt

Der Papst, die Piusbrüder und das Freund-Feind-Schema

Veröffentlicht am 17.12.2018 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Die Piusbrüder haben eine Wagenburg errichtet, und der Feind steht außen, kommentiert Tilmann Kleinjung mit Blick auf die jüngsten Aussagen des Generaloberen der Brüder. Damit gehe die Gemeinschaft einen komplett anderen Weg als Papst Franziskus.

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Es muss ein gutes Gefühl sein, zu wissen, was richtig und falsch ist, wo Freund und Feind stehen. Je komplexer die Welt erscheint, desto attraktiver werden einfache Erklärungsversuche. Diese Sehnsucht nach unkomplizierten Antworten auf komplizierte Fragen ist der Nährboden für populistische Bewegungen. Da gibt es nur Schwarz und Weiß, Grautöne sind suspekt.

Das gilt auch für Glaubensfragen: Wie gehen wir um mit Zweifeln? Wie gehen wir um mit der Tatsache, dass viele Menschen einen anderen Weg zum Heil suchen als wir? Davide Pagliarani, der Generalobere der traditionalistischen Piusbruderschaft, hat den "Salzburger Nachrichten" ein Interview gegeben und mit keinem Wort einen Zweifel daran gelassen, dass er die kirchliche Wahrheit gepachtet hat. Er sieht die katholische Kirche in einer "schrecklichen Krise". Pagliarani hält es für falsch, dass Menschen sich "frei für irgendeine Religion entscheiden" können und für geboten, dass die Kirche auch unter Juden missioniert.

Die Piusbrüder haben eine Wagenburg errichtet, der Feind steht außen: "Erschüttert" sei er, so Pagliarani, über die "völlig neue Anwendung des Begriffs der Barmherzigkeit" durch Franziskus. Für einen gestandenen Traditionalisten muss dieser Papst ein rotes Tuch sein. Sie feiern die Messe im feierlichen, tridentinischen Ritus. Er bevorzugt Bescheidenheit, auch in der Liturgie. Der Generalobere der Piusbruderschaft fordert "Geradlinigkeit in der Moral". Das Leitmotiv dieses Pontifikats ist Barmherzigkeit. "Seid barmherzig", hat Franziskus Beichtvätern unmittelbar nach seiner Wahl zum Papst zugerufen.

Und dieses Prinzip hat er im Umgang mit seinen Kritikern aus der Piusbruderschaft selbst immer wieder beherzigt. Er hat sich um sie bemüht, ist auf sie zugegangen. Seit dem vergangenen Jahr sind Trauungen der Piusbruderschaft kirchenrechtlich legal. Nicht wenige Katholiken ärgert so viel Barmherzigkeit für die Piusbrüder. Doch dieser Papst denkt nicht im Freund-Feind-Schema und erfüllt selten den Wunsch nach einfachen Antworten auf schwierige Fragen.

Von Tilmann Kleinjung

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.