Die freigesprochene pakistanische Christin ist weiter im Gefängnis

Unterschriftenaktion an Merkel wegen Asia Bibi

Veröffentlicht am 06.11.2018 um 18:01 Uhr – Lesedauer: 

Aachen ‐ Die Todesstrafe wegen angeblicher Blasphemie wurde aufgehoben. Wegen der Proteste radikaler Islamisten kommt die pakistanische Christin Asia Bibi dennoch nicht frei. Nun startet das Hilfswerk Missio eine Unterschriftenaktion, damit Kanzlerin Angela Merkel sich für sie einsetzt.

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Das Schicksal der pakistanischen Christin Asia Bibi ruft weiter Forderungen nach deutscher Unterstützung hervor. Mit einer E-Mail- und Briefaktion will das katholische Hilfswerk Missio Aachen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) dazu bewegen, sich persönlich für die Freiheit, Sicherheit und Ausreisemöglichkeiten Bibis einzusetzen. Regierungen müssten sich international einschalten und Pakistan helfen, damit Bibi tatsächlich freikommen könne, sagte Missio-Sprecher Johannes Seibel katholisch.de.

Die Bundeskanzlerin solle gegenüber der pakistanischen Regierung unter Premierminister Imran Khan auf die dauerhafte Sicherheit von Asia Bibi, ihrer Familie und auch ihrer Unterstützer bestehen, teilte die Organisation am Dienstag mit. Eine sofortige Ausreise Bibis und ihrer Familie in ein Land ihrer Wahl müsse ebenso gewährleistet werden, wenn nötig auch mit diplomatischer oder logistischer Hilfe der Bundesregierung, heißt es in der Mitteilung von Missio.

"Es ist Gefahr in Verzug"

Der menschenrechtspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Michael Brand, forderte Schutz für Bibi in Deutschland. "Obwohl die obersten Richter Asia Bibi Freiheit zugesprochen haben, ist ihr Leben jetzt auf das Höchste bedroht. Es ist Gefahr in Verzug", sagte der Politiker. Aus dem hoffnungsvollen Urteil für mehr Religionsfreiheit sei eine "dramatische Hiobsbotschaft" geworden. Trotz Aufhebung des Todesurteils wollten radikale Islamisten Bibi wieder in der Todeszelle sehen. "Als verfolgte Christin muss diese mutige Frau zum Schutz auch einen Platz in Deutschland finden können", so Brand.

Der innerhalb der Deutschen Bischofskonferenz für die Weltkirche zuständige Erzbischof Ludwig Schick forderte die internationale Gemeinschaft auf, sich für eine Freilassung und Ausreise der pakistanischen Christin Asia Bibi einzusetzen. Dies richte sich auch an die Bundesregierung, sagte der Bamberger Erzbischof am Dienstagabend der KNA. Man müsse Bibi und ihrer Familie die Ausreise ermöglichen und ihr Asyl gewähren. Es gelte, den enormen Druck von der Christin und ihren Angehörigen, aber auch von der pakistanischen Regierung zu nehmen.

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Auch der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, erklärte in seinen Social-Media-Kanälen: "Was der pakistanischen Christin Asia Bibi gegenwärtig widerfährt, ist grauenhaft. Trotz ihres Freispruchs von dem unsinnigen Vorwurf der Gotteslästerung wird sie noch immer bedroht von religiösen Fanatikern." Er hoffe, dass sie bald in Sicherheit sein werde und bete für sie.

Bibis Familie bittet Italien um Asyl

Die Familie der pakistanischen Christin hat unterdessen Italiens Regierung um Hilfe für eine Ausreise und um Asyl gebeten. Das teilte das katholische Hilfswerk "Kirche in Not" am Dienstag unter Berufung auf ein Telefonat mit Bibis Ehemann Ashiq Masih mit. Die Aufhebung des Todesurteils gegen die Christin durch Pakistans Obersten Gerichtshof hatte zu massiven Protesten radikaler Muslime geführt. Aus Angst um ihr Leben halte sich die Familie versteckt, sagte Masih. Er und eine gemeinsame Tochter waren im Februar nach Rom gereist, wo sie unter anderem von Papst Franziskus empfangen wurden.

Italiens Innenminister Matteo Salvini sagte, sein Land bemühe sich "diskret" darum, Bibi zu helfen. "Wir arbeiten mit anderen westlichen Ländern zusammen", deutete der Politiker im Radiosender RTL 102.5 an. Salvini, der für einen harten Kurs bei der illegalen Einwanderung bekannt ist, versprach, "alles Menschenmögliche zu tun, um die Zukunft von Bibi zu garantieren". Dies stehe im Einklang mit seiner Haltung, illegale Einwanderung abzulehnen, fügte er hinzu.

Auch der Präsident des Europäischen Parlaments, der Italiener Antonio Tajani, versprach Masih in einem Brief seine persönliche Intervention. "Wir haben die pakistanischen Behörden gebeten, Ihre Sicherheit zu garantieren", schrieb Tajani.

Themenseite: Der Fall Asia Bibi

Weil sie den Propheten Mohammed beleidigt haben soll, wurde die Christin Asia Bibi 2010 zum Tode verurteilt. Zahlreiche Politiker und Kirchenvertreter hatten sich seitdem für ihre Freilassung eingesetzt. Ende Oktober 2018 erfolgte der Freispruch – doch es droht Gefahr durch radikale Muslime.

Aus dem Auswärtigen Amt in Berlin hieß es am Dienstag zu dem Fall, von der pakistanischen Regierung werde erwartet, dass sie den universellen Menschenrechten und einem rechtstaatlichen Verfahren Geltung verschaffe. Das habe Staatssekretär Walter Lindner bei seinen Konsultationen in Islamabad vergangene Woche der pakistanischen Seite auch deutlich gemacht.

Die pakistanische Regierung hatte der radikalislamischen Partei TLP in den vergangenen Tagen zugesichert, dass Bibi das Land nicht verlassen dürfe. Zudem könne es einen Antrag auf Neueröffnung des Verfahrens geben. Derzeit ist die Frau noch weiter im Gefängnis. Der Anwalt der Familie, Saif ul-Malook, der selbst Muslim ist, verließ Pakistan vergangenen Freitag aus Furcht vor Übergriffen. Er sagte, er räume einer Neueröffnung des Verfahrens keine großen Chancen ein. Allerdings fürchte er um die Sicherheit der Familie Asia Bibis sowie um die seiner eigenen.

Asia Bibi war 2009 als erste katholische Frau in Pakistan wegen Blasphemie angeklagt und 2010 zum Tode verurteilt worden. Im Juli 2015 ordnete ein Gericht die vorläufige Aussetzung der Vollstreckung der Todesstrafe an. Das erneute Berufungsverfahren war in den vergangenen Jahren immer wieder verzögert worden. Das Oberste Gericht Pakistans sprach sie am Mittwoch überraschend frei. Dies hatte zu massiven Protesten radikaler Muslime geführt. Die pakistanische Regierung sicherte der radikalislamischen Partei TLP zuletzt zu, Asia Bibi dürfe das Land nicht verlassen. Derzeit ist sie noch weiter im Gefängnis. (stz/dpa/KNA)

Hinweis: 6.11.2018, 19:15 Uhr: ergänzt um Aussagen von Erzbischof Schick im vierten Absatz