Das Jahr 2012 im Vatikan

Kuba, Libanon und Vatileaks

Veröffentlicht am 26.12.2012 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Jahresrückblick

Vatikanstadt ‐ Für die Justiz des Vatikanstaates, die sich normalerweise um Handtaschendiebe und Trickbetrüger kümmert, war 2012 ein ganz außergewöhnliches Jahr. Der Vatileaks-Prozess gegen den päpstlichen Kammerdiener Paolo Gabriele wegen Diebstahls vertraulicher Dokumente bot monatelang Fantasiestoff um Verschwörungen, Intrigen und geheime Seilschaften im Schatten des Petersdoms. Schließlich erkannte das mit italienischen Topjuristen besetzte Vatikangericht im untreuen Butler freilich einen Einzeltäter mit verqueren Ideen und verurteilte ihn zu eineinhalb Jahren Haft.

  • Teilen:

Vier Monate lang hatten Vatikan-Gendarmen und eigens vom Papst ernannte Kardinal-Kommissare nach dem Maulwurf im Vatikan gesucht. Ab Januar waren in italienischen Medien vertrauliche Papstdokumente aufgetaucht: der Beschwerdebrief eines Spitzenvertreters des Vatikan-Governatorats, der nach Kritik an seinem Sparkurs als Botschafter nach Washington versetzt worden war.

Das Geheimdossier eines sizilianischen Kardinals, der bei einer Chinareise von einem Komplott gegen den Papst gehört haben will. In einer TV-Show sprach ein vermummter Zeuge von 20 vatikanischen Mitstreitern in Sachen Transparenz. Im Mai veröffentlichte der Enthüllungsjournalist Gianluigi Nuzzi ein Buch mit Hunderten Geheimdokumenten aus dem Papst-Appartement. Wenige Tage später wurde Gabriele, mittlerweile vom Papst begnadigt, verhaftet.

Der Prozess Anfang Oktober war binnen einer Woche mit vier Sitzungen abgeschlossen. Danach wurde auch noch ein vatikanischer Informatiker zu einer Bewährungsstrafe verurteilt - wegen Irreführung der Vatikanjustiz. Dennoch blieben Fragen zu Vatileaks offen. Und mehrere in den Medien zu Unrecht Verdächtigte warten weiter auf eine Wiedergutmachung, zumindest auf eine Entschuldigung.

Spektakuläre Reisen

Die ärgerliche Vatileaks-Affäre ließ andere Vatikan-Vorgänge 2012 in den Hintergrund treten. Ende März unternahm Benedikt XVI. eine der spektakulärsten Reisen seines Pontifikat: nach Mexiko und Kuba.

Einmal mehr wurde deutlich, dass der vermeintlich unpolitische und übervorsichtige deutsche Papst keinesfalls zurückhaltender ist als der offenbar so energische, politische Johannes Paul II. Mit deutlichen Worten mahnte er Menschenrechte und Freiheiten an, auch für die Religion. "Kuba und die Welt brauchen Veränderungen", lautete sein Monitum.

Máximo Líder und Pontifex: Benedikt XVI. traf den früheren Präsidenten Kubas, Fidel Castro, am 28. März in Havanna.
Bild: ©KNA

Máximo Líder und Pontifex: Benedikt XVI. traf den früheren Präsidenten Kubas, Fidel Castro, am 28. März in Havanna.

Überraschend positiv war im Herbst auch die Resonanz auf die Libanonreise. Aufgrund der Eskalation im Nachbarland Syrien musste die ursprünglich geplante Etappe in Damaskus ausfallen, wo Benedikt XVI. ursprünglich das Schlussdokument der Nahostsynode von 2010 veröffentlichen wollte. Dem Papst gelang es, mit diplomatischem Fingerspitzengefühl den Christen der Region weltkirchliche Rückenstärkung zu geben, und sie den Muslimen als loyale und kooperationsbereite Mitbürger zu präsentieren.

Neue Männer für die Kurie

Ebenfalls im Herbst jährte sich zum 50. Mal die Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65). Benedikt XVI. hatte rund um dieses Jubiläum eine Weltbischofssynode zum Thema Neuevangelisierung einberufen. Und am Gedenktag selbst, am 11. Oktober, eröffnete er ein "Jahr des Glaubens", das den Elan des Konzilsgedenkens für die neuen Aufgaben der Kirche nutzen will.

Zweimal berief Benedikt XVI. 2012 ein Konsistorium ein. Im Februar erhielten vor allem Kurienvertreter (und vor allem Italiener) den an ihr Dienstamt gekoppelten Kardinalspurpur, aber auch einige Vertreter der Weltkirche. Unter ihnen waren der Berliner Erzbischof Rainer Maria Woelki und der verdiente Jesuiten-Theologe Karl-Josef Becker. Nicht von ungefähr war im Konsistorium vom November kein einziger Europäer, der in den Kreis der Papstwähler aufrückte.

Neu in Rom: der frühere Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller.
Bild: ©KNA

Ende 2012: Papst Benedikt XVI. begrüßt Erzbischof Gerhard Ludwig Müller, den neuen Präfekten der römischen Glaubenskongregation.

Personalveränderungen gab es auch an der Kurie. Mit dem früheren Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller als Präfekt der Glaubenskongregation hat wieder ein Deutscher - ein Theologe von Weltruf - ein leitendes Kurienamt übernommen.

Offen sind zu Jahresende unterdessen die Einigungsbemühungen mit den traditionalistischen Piusbrüdern. Nach Abschluss eines eineinhalbjährigen Expertendialogs konnte sich die Priesterbruderschaft Sankt Pius X. nicht auf ein Schlussdokument verständigen. Der Vatikan verlängerte die Bedenkzeit, wird aber sicher nicht bis ultimo auf eine Antwort warten.

Und auch 2012 setzte der Theologe auf dem Papstthron sein Amt als Lehrer der Kirche fort. Neben vielen großen Reden legte Benedikt XVI. vor wenigen Tagen den dritten Band seines Jesus-Buches vor. Es verspricht wie die Vorgängerbücher zum Welt-Bestseller zu werden.

Von Johannes Schidelko

"Ein Jahr des Aufbruchs"

Erzbischof Zollitsch zur Jahresbilanz der katholischen Kirche