Papst zur Homosexualität: Jetzt bewerten Kirchenexperten die Debatte

"Wer bin ich, ihn zu verurteilen"

Veröffentlicht am 01.08.2013 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
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Bonn ‐ "Wer bin ich, ihn zu verurteilen", sagte der Papst über einen Homosexuellen, der Gott suche und ein Mensch guten Willens sei. Diese Aussagen zum Thema Homosexualität haben hohe Wellen geschlagen. Jetzt ordnen Kirchenexperten die Worte ein.

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Nach Ansicht des Theologen und Psychotherapeuten Wunibald Müller haben sie für schwule Katholiken eine befreiende Wirkung. Der Papst bringe zum Ausdruck, "dass ein verengter Blick auf die Homosexualität den Blick auf den ganzen Menschen überdeckt".

Der verfüge jedoch "über die gleichen Gefühle, Sehnsüchte und die gleiche spirituelle Ausstattung wie ein heterosexueller Mensch", sagte Müller am Mittwoch dem Kölner "domradio". Als mögliche Konsequenz der Äußerungen sieht er, dass homosexuelle Männer, "die verantwortlich mit ihrer Sexualität umgehen können", zu Priestern geweiht werden dürfen.

"Wie alle Priester auf das Ausleben der Sexualität verzichten"

Sie müssten wie alle Priester "auf das Ausleben ihrer Sexualität" verzichten, so Müller. Dazu müsste ein Dokument des Vatikan aufgehoben werden, demzufolge Männern mit "tiefsitzenden homosexuellen Tendenzen" das Priesteramt versagt bleibt.

Psychotherapeut und Theologe Wunibald Müller ist Leiter des Recollectio-Hauses in der Abtei Münsterschwarzach.
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Psychotherapeut und Theologe Wunibald Müller ist Leiter des Recollectio-Hauses in der Abtei Münsterschwarzach.

Letztlich entspreche das von Franziskus Gesagte ja der kirchlichen Lehre, so Müller weiter. Aber dass ein Papst dies so klar formuliere, habe ihn sehr erfreut. Er erinnere sich an ein Interview mit Papst Benedikt XVI. In dem habe es noch geheißen, dass Homosexualität falsch und etwas sei, das gegen Gottes Wille stehe.

Wie Müller plädiert auch der Jesuit Klaus Mertes für Offenheit beim Thema Priester und Sexualität. In einem am Mittwoch in Freiburg veröffentlichten Beitrag für die "Herder Korrespondenz" betont Mertes, die Rede von "homosexuellen Netzwerken" oder "schwulen Lobbys" unter Klerikern bestätige indirekt, dass es Priester mit homosexuellen Veranlagungen gebe.

Mangelnde Möglichkeiten für Homosexuelle zur Reifung

Sexuelle Reife lässt sich nach Worten des Jesuiten im zölibatären Leben nur erreichen, "wenn man in der ersten Person Singular über die eigene Sexualität, über die eigenen Träume, Wünsche und Sehnsüchte sprechen kann". Bei homosexuellen Priesteramtskandidaten könne das nicht funktionieren, weil sie ihre Zulassung zur Weihe gefährdeten.

Dies sei eine strukturelle Ursache für mangelnde Möglichkeiten homosexueller Kleriker, in ihrer Sexualität zu reifen, so Mertes. Das "Schweigegebot für die schwulen Kleriker" verstärke das Schweigen über Sexualität generell.

Der Jesuitenpater Klaus Mertes ist heute Direktor des Jesuitenkollegs St. Blasien.
Bild: ©dpa/Marc Tirl

Der Jesuitenpater Klaus Mertes ist heute Direktor des Jesuitenkollegs St. Blasien.

Eine weitere These des Jesuiten lautet: "Vielleicht würde im Umkehrschluss die offizielle Zulassung von Homosexuellen zur Priesterweihe bewirken, dass weniger Homosexuelle Priester werden wollen." Weil nämlich darüber gesprochen werden könne und müsse. Derzeit gefährdeten homosexuelle Kleriker sich selbst, "wenn sie der Wahrheit die Ehre geben".

Gemmingen: Überflüssige Debatte

Mertes sieht zudem unter Priestern eine "Männerbündigkeit", zu der eine "frauenfeindliche Außenseite" gehöre. In der Kirchenleitung scheine sich immer mehr die Erkenntnis durchzusetzen, dass diese Männerbündigkeit ein Problem für die Kirche sei. Solche Bünde könnten entmachtet werden, wenn man im Sinne von Papst Franziskus "einfach das macht, wovor sie am meisten Angst haben: Sich öffnen, an die Ränder gehen, den Stallgeruch der Schafe annehmen".

Der Vatikanexperte Eberhard von Gemmingen findet die Diskussionen hingegen überflüssig. Die Kirche dürfe Homosexuelle nicht be- oder verurteilen. Diese müssten lesen, was in der Bibel steht und sich dann selbst vor Gott verantworten, sagte der Jesuit am Mittwoch dem Bayerischen Rundfunk (BR). "Kein Papst verurteilt Homosexuelle", so der der ehemalige Leiter der deutschen Redaktion von Radio Vatikan. Das permanente Berichten darüber, was der Papst zur Homosexualität gesagt habe, sei "im Vergleich zu großen weltgeschichtlichen Ereignissen" nebensächlich. Eine "viel größere kulturelle Sache" ist von Gemmingen zufolge, dass das Christentum in Europa vergessen werde. (bod/KNA)

Katechismus der Katholischen Kirche: Keuschheit und Homosexualität

2358. Eine nicht geringe Anzahl von Männern und Frauen sind homosexuell veranlagt. Sie haben diese Veranlagung nicht selbst gewählt; für die meisten von ihnen stellt sie eine Prüfung dar. Ihnen ist mit Achtung, Mitleid und Takt zu begegnen. Man hüte sich, sie in irgend einer Weise ungerecht zurückzusetzen. Auch diese Menschen sind berufen, in ihrem Leben den Willen Gottes zu erfüllen und, wenn sie Christen sind, die Schwierigkeiten, die ihnen aus ihrer Veranlagung erwachsen können, mit dem Kreuzesopfer des Herrn zu vereinen. 2359. Homosexuelle Menschen sind zur Keuschheit gerufen. Durch die Tugenden der Selbstbeherrschung, die zur inneren Freiheit erziehen, können und sollen sie sich - vielleicht auch mit Hilfe einer selbstlosen Freundschaft -‚ durch das Gebet und die sakramentale Gnade Schritt um Schritt, aber entschieden der christlichen Vollkommenheit annähern. Quelle: Der Katechismus der Katholischen Kirche