Ökumene: Macht des Arguments gelten lassen – nicht Argument der Macht

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Das Jahr 2021 steht – notgedrungen – immer noch unter dem Vorzeichen des großen C wie Corona. Die christlichen Kirchen in Deutschland möchten es als "Jahr der Ökumene" begehen. Für alle, denen das bisher entgangen sein sollte: Es wurde am Sonntag in Hamburg feierlich eröffnet.
Um die Ökumene ist es ähnlich bestellt wie um die Pandemie: Es gibt viele Hoffnungen, aber auch große Fährnisse. Und Corona selbst ist mit Schuld daran, dass ein als sicht- und spürbarer Höhepunkt des konfessionellen Miteinanders geplantes Event faktisch ausfällt. Der Dritte Ökumenische Kirchentag (ÖKT) in Frankfurt am Main wurde auf ein Online-Format mit "stark fokussiertem Programm" eingedampft. Man versteht die Veranstalter mit dieser Art der Absage an die Absage. Aber die Fallhöhe zwischen analogem und digitalem ÖKT ist unbestreitbar enorm.
Durch die Verlagerung ins Netz ist die symbolträchtige Frage nach der Abendmahlsgemeinschaft für die einen ein Stück weit entschärft, für die anderen wieder einmal ihrer Dringlichkeit beraubt. Der theologisch gut begründete, pastoral kluge Vorschlag des Ökumenischen Arbeitskreises (ÖAK), die wechselseitige Teilnahme an der (katholischen) Kommunion bzw. dem (evangelischen) Abendmahl der Gewissensfreiheit jedes Christenmenschen zu überlassen, braucht in Frankfurt nicht den Praxistest gegen die Blockadehaltung des römischen Lehramts zu bestehen.
Wer die Papiere der Glaubenskongregation und des ÖAK – zuletzt dessen Stellungnahme zum römischen Verriss seines Votums "Gemeinsam am Tisch des Herrn" – liest, wird geradezu schmerzhaft mit zwei diametral entgegengesetzten Herangehensweisen konfrontiert: einem Beharren auf dem Trennenden hier, einer Hermeneutik des Konsenses dort. "Wenn seitens der römisch-katholischen Kirche der Wille zur Gemeinschaft bekundet würde, bräuchte man sich um das Gewissen evangelischer Christen keine Sorgen zu machen", schreiben die Theologinnen und Theologen des ÖAK. Was übrigens auch für das Gewissen von Katholikinnen und Katholiken gilt.
Diese Sicht hat den Grundimpuls und die Dynamik der Botschaft Jesu auf ihrer Seite. "Ihr sollt eins sein", lautet der Auftrag Jesu. Kirchenspaltung ist Verrat am Herrn. Zurecht stellt das ÖAK-Schreiben daher fest, dass "nicht das Evangeliumsgemäße, sondern das Evangeliumswidrige der Rechtfertigung bedarf".
Federführend im ÖAK agiert auf katholischer Seite die Münsteraner Ökumenikerin Dorothea Sattler, die mit schier heiligmäßiger Unerschütterlichkeit auf das Vernunftprinzip und die Überzeugungskraft theologischer Forschung baut. Wie schön wäre es, wenn solches Vertrauen auf die Macht des Arguments endlich einmal belohnt würde – zur Beschämung derjenigen, die am Ende immer nur das Argument der Macht gelten lassen wollen.