"Alle haben – grob gesagt – vertuscht"

Kardinal Hollerich zu Missbrauch: Die ganze Kirche hat falsch reagiert

Veröffentlicht am 27.01.2022 um 14:50 Uhr – Lesedauer: 

Freiburg ‐ Deutliche Worte von Kardinal Jean-Claude Hollerich: Bischöfe hätten Missbrauchsfälle zugetragen bekommen und dann "verdrängt, verschwiegen oder verharmlost". Und das gelte für die gesamte katholische Kirche.

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Der Luxemburger Kardinal Jean-Claude Hollerich sieht im Umgang mit Missbrauch in der katholischen Kirche weltweit ein strukturelles Versagen. "Eigentlich alle haben falsch reagiert, die ganze Kirche hat falsch reagiert", sagte der Erzbischof der "Herder Korrespondenz" (Februar). Da gebe es zwischen den Bischöfen weltweit im Großen und Ganzen nicht viele Unterschiede.

In der Vergangenheit hätten vielmehr alle so gehandelt, "mehr oder weniger gleich, alle haben – grob gesagt – vertuscht", so Hollerich. Oft hätten Bischöfe Fälle zugetragen bekommen und dann "verdrängt, verschwiegen oder verharmlost". Das Ausmaß des Missbrauchs hätten sie nicht begriffen oder nicht begreifen wollen. Auch sei das Leiden der Betroffenen nicht gesehen worden.

Zuletzt war ein Missbrauchsgutachten für das Erzbistum München und Freising veröffentlicht worden. Darin werfen Anwälte allen Münchner Erzbischöfen seit 1945 sowie weiteren kirchlichen Verantwortungsträgern vor, im Umgang mit Missbrauchsfällen Fehler begangen zu haben.

Gegen Lagerbildung beim Synodalen Weg

Mit Blick auf die Kirche in Deutschland und den Reformprozess Synodaler Weg spricht sich Hollerich gegen eine Lagerbildung aus. Wenn es nur um Reformen als Ergebnis eines Kampfes gehe, sei das Ergebnis schnell wieder umkehrbar. "Es kommt dann nur auf den größeren Einfluss von der einen oder der anderen Gruppe an. Aus dem Teufelskreis kommen sie dann nicht heraus", sagte Hollerich. Weiter appellierte er: "Man kann nicht nur über Strukturreformen reden, auch die Spiritualität muss wieder wachsen."

Reformen in der Kirche bräuchten grundsätzlich ein stabiles Fundament und Konsens, sagte Hollerich, der auch Präsident der EU-Bischofskommission COMECE ist. "Wir müssen auf jeden Fall so viele Leute auf den Weg mitnehmen wie nur möglich." Für Bischöfe sei der Kontakt zu "normalen Leuten", Gläubigen und Nicht-Gläubigen aus unterschiedlichen sozialen Kreisen wichtig. Als Bischof sei man schnell in einer Situation, nur noch einen kleinen Kreis von Menschen zu treffen, "der einem eine Normalität vorgaukelt, die es nicht gibt". Hollerich betonte: "Wenn man diese Außenwahrnehmung nicht mehr bekommt, gerät man schnell in diese Kirchenkriege hinein, in denen es nur zwei Lager gibt." (tmg/KNA)