Untersuchung solle sich an französischem Vorbild orientieren

Missbrauchsbetroffene in Italien fordern unabhängige Aufarbeitung

Veröffentlicht am 23.05.2022 um 19:25 Uhr – Lesedauer: 

Rom ‐ Pünktlich zur Vollversammlung der italienischen Bischöfe wurde ein Brief öffentlich, in dem Missbrauchsbetroffene erneut eine unabhängige Aufklärung fordern. Die Initiative rechnet mit deutlich höheren Fallzahlen als den bisher in Italien bekannten.

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Betroffene von sexuellem Missbrauch haben Italiens Kirche erneut aufgefordert, den Umgang mit dem Thema durch unabhängige Experten untersuchen zu lassen. Zudem müsse die Kirche deutlich kooperativer werden, heißt es in einem am Montag bekannt gewordenen Brief der Bewegung #ItalyChurchToo an Spitzenvertreter der Kirche. Am Montag beginnt in Rom die Vollversammlung der Italienischen Bischofskonferenz. Die Zeitung "Il Fatto Quotidiano" dokumentierte Auszüge des Schreibens vom 10. Mai, das an den scheidenden Konferenz-Vorsitzenden, Kardinal Gualtiero Bassetti, sowie Spitzenvertreter der vatikanischen Kurie adressiert ist."Eine wirklich unabhängige Kommission wäre revolutionär, aber auch unbequem", so der Vorsitzende des Netzwerks "Rete l'Abuso", Francesco Zanardi. Als Vorbild nennt er die von Frankreichs Bischöfen in Auftrag gegebene Untersuchung. Aufgrund der darin genannten Zahlen von Priestern, Beschuldigten und Missbrauchsfällen rechnet Zanardi mit deutlich höheren Zahlen für Italien. Die Verfasser des Briefes warnen den Staat vor zu viel Entgegenkommen gegenüber der Kirche. Gleichzeitig müssten Diözesen, Pfarreien, Schulen und andere Einrichtungen ihre Archive öffnen.

Italiens Öffentlichkeit reagiert verhalten auf MissbrauchsaufarbeitungBei der am Montag beginnenden Bischofsvollversammlung soll die für das Thema Missbrauch zuständige Stelle ihren Bericht vorlegen. Außerdem wird über die anstehende Aufarbeitung gesprochen; bisher wehren sich Italiens Bischöfe gegen eine unabhängige staatliche Kommission.Die Initiative #ItalyChurchToo, ein Zusammenschluss mehrerer Verbände von Opfern sexuellen Missbrauchs, hatte sich im Februar gebildet. Er veröffentlichte unter anderem eine Plattform, auf der bisher in Italien registrierte Fälle von Missbrauch aufgelistet sind. Öffentliche Reaktionen im Land fielen indes verhalten aus.Zudem erschien dieser Tage in Italien auch ein Buch, das sich mit Missbrauch in der katholischen Kirche befasst. "Agnus Dei. Sexueller Missbrauch des Klerus in Italien" wurde verfasst von der früheren Redaktionsleiterin des vatikanischen Magazins "Donne, Chiesa, Mondo" (Frauen, Kirche, Welt), Lucetta Scaraffia, der Kirchenexpertin der Tageszeitung "Il Messaggero", Franca Giansoldati, und der Historikerin Anna Foa. (KNA)