Quadratur des Kreises
Das Blut spritzt im hohen Bogen, als das Schwert des Racheengels in gelber Motorradkluft den Kopf eines Gegners abtrennt… Diese Szene aus dem Actionfilm "Kill Bill" und andere Bilder in Filmen und Videospielen sind es, die den Kinder- und Jugendschutzmedienschutz auf den Plan rufen – zu Recht! Seit der letzten Jugendmedienschutz-Fachtagung vor drei Jahren wurden jedoch nach Meinung vieler Experten noch keine wirklichen Fortschritte erzielt. Was kann daran so schwierig sein, fragt sich so manch einer.
Gleich vorweg: Der Schutz von Heranwachsenden vor medialen Einflüssen, die sie in ihrer Entwicklung beeinträchtigen, ist im Grundgesetz verankert. Das hat nichts mit Zensur zu tun, sondern gehört zu einem seit jeher komplizierten Aushandlungsprozess. Denn die Frage, wie weit die grundgesetzlich ebenfalls garantierte Freiheit der Kunst geht und ab wo (bewegte) Bilder, Töne oder Texte und deren Kombination ängstigend, verstörend oder anderweitig negativ auf Kinder und Jugendliche wirken, ist alles andere als trivial.
Das Problem Internet
Zur stets am einzelnen Film oder Videospiel oder Rundfunk-Beitrag orientierten Regelung hat sich ein System von Selbstkontroll-Einrichtungen etabliert, das zwar bisweilen Anlass zur Kritik bietet, im Grunde aber den gesetzlichen Auftrag sehr gut umsetzt. Eine neue Schwierigkeit entsteht aber mit dem Internet. Denn es ist von den ersten Mailboxnetzen über das World Wide Web bis hin zu Sozialen Netzwerken kein klar und regional greifbares (Träger-)Medium wie etwa eine CD – ein Telemedium im Sinne des Rundfunks ist es aber auch nicht. Die differenzierte Zuständigkeit von Bund (Trägermedien) und Ländern (Telemedien) wird durch das Internet zu einem Grundproblem. Wie kann man dem Regelungsbedarf mit Blick auf digitale Medien beikommen?
Aktuell wird zum wiederholten Male die Etablierung eines Jugendmedienschutzes mit technischen Lösungen – kurz: technischer Jugendmedienschutz – verhandelt. Dazu sollen alle Anbieter von Webseiten, Foren und Blogs ihre Angebote nach Altersklassen kennzeichnen, und zwar nach der aktuellen Diskussionsvorlage entsprechend den etablierten Alterskennzeichen der Freiwilligen Selbstkontrolleinrichtungen (geeignet ab 0, 6, 12, 16 oder ohne Jugendfreigabe ab 18 Jahren).
Die vermeintliche Lösung
Eltern sollen dazu auf den PCs, Notebooks, Tablets und Smartphones der Kinder und Jugendlichen Filter-Software installieren, die entsprechend ihren Vorgaben den Zugang zu ungeeigneten Seiten verhindert. Diese Programme greifen zu auf Listen als bedenklich eingestufter Seiten (Blacklists) sowie für Kinder als geeignet angesehene Inhalte (Whitelists) sowie künftig dann auf die Alterskennzeichnung der Inhalte.
Diese scheinbar elegante Lösung wirft aber mehr Probleme auf, als sie löst: Zunächst einmal ist die Frage, ob denn überhaupt alle Betreiber von Blogs, Foren und Websites fachlich in der Lage sind, ihre Inhalte unter Gesichtspunkten des Jugendmedienschutzes angemessen zu beurteilen. Auch fachkompetente Prüferinnen und Prüfer diskutieren bisweilen lange über die Einstufung eines Films. Die Tatsache, dass die Selbstkontrolleinrichtungen Verfahren über mehrere Instanzen vorsehen, zeigt, dass diese Frage nicht banal ist. Eine zweite Frage ist, ob die Anbieter diese Kennzeichnung vornehmen oder es unterlassen und damit eine Blockierung ihrer Angebote für Kinder und Jugendliche unter 18 in Kauf nehmen. Damit würden aber vielleicht unsinnige Hürden für einen freien und ungehinderten Informationszugang aufgestellt.
medienkompetenz.katholisch.de
Die Clearingstelle Medienkompetenz der Deutschen Bischofskonferenz stellt sich als Partnerportal von katholisch.de mit einer eigenen Internetseite vor. Auf http://medienkompetenz.katholisch.de finden Sie alle relevanten Informationen rund um das Thema Medienkompetenz.Das weit größere Problem liegt aber auf der Nutzerseite: Nach Auskunft unabhängiger Studien sind die meisten Filterprogramme für deutschsprachige Inhalte mehr oder minder ungeeignet und damit nutzlos. Und selbst die bisher von der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) geforderte Genauigkeit von 80 Prozent reicht nicht aus: Es blieben noch 20 Prozent Pornographie und Gewalt und das ist meiner Meinung nach zu viel. Wenn Eltern oder Pädagogen sich blind auf solche Programme verlassen, bleibt die Gefahr für Kinder und Jugendliche. Mittlerweile völlig unstrittig ist auch, dass nationale Regelungen angesichts der Reichweite des weltweiten Internet ungeeignet sind.
Die mögliche Lösung
Es bedarf transnationaler Regelungen für einen technischen Jugendmedienschutz, der die Freiheit der Nutzer nicht einschränkt, sondern "nur" sicherstellt, dass Kinder und Jugendliche nicht unbeabsichtigt auf beeinträchtigende Inhalte stoßen können. Dies ist Gegenstand juristischer und technischer Regelungen – und absehbar eine Aufgabe, für die es noch längst keine tragfähige Lösung gibt.
Darüber hinaus bedarf es einer umfassenden Medienbildung für Kinder und Jugendliche, aber auch für deren Eltern und alle Pädagogen. Nur so kann ein sinnvoller und verantwortlicher Umgang mit Medien erlernt und auf dem Weg zum mündigen digitalen Bürger eingeübt werden.
Von Andreas Büsch