Für eine Handvoll Knochen

Doch was ist dran an der Legende von den Drei Königen aus dem Morgenland? Dieser Frage sind der Regisseur Martin Papirowski und der WDR-Redakteur Martin Blachmann nachgegangen. Als erstes räumen sie mit einigen Mythen auf: "Sie waren keine Könige, sie sind nicht heilig und zu dritt waren sie auch nicht", heißt es in der Anfangssequenz ihres Film, der an diesem Sonntag, pünktlich zum Drei-Königs-Tag, ab 16.05 Uhr im WDR ausgestrahlt wird.
Von Palästina ins heilige Köln
Der Weg der Knochen ist relativ schnell nachgezeichnet, auch wenn sämtliche Angaben vor dem 12. Jahrhundert auf Legenden beruhen: Helena, die Mutter von Kaiser Konstatin dem Großen, pilgerte um 326 nach Palästina und überführte die Gebeine dreier Menschen nach Konstantinopel – fortan wurden sie als die Reliquien der drei "Weisen aus dem Morgenland" verehrt, die im Matthäus-Evangelium erwähnt werden. Konstantin selbst hat die Knochen dann an Eustorgius, den Bischof in Mailand, verschenkt.
Die erste schriftliche Quelle stammt aus dem 12. Jahrhundert. Damals befanden sich die Reliquien der Heiligen Drei Könige in der St.-Eustorgius-Kirche in Mailand – bis 1158. Dann eroberte und plünderte Kaiser Friedrich Barbarossa die Stadt. An seiner Seite kämpfte Rainald von Dassel, Erzbischof von Köln, der erbeutete die Reliquien und brachte sie ins Rheinland.
„Die theologische Wahrheit hängt nicht an Faktendichte.“
Ob es sich bei den Knochen wirklich um die Skelette jener Reisenden handelt, die Jesus an der Wiege die Ehre erwiesen, ist jedoch fraglich: Drei Herren, die gemäß der Ikonografie exakt den drei damals bekannten Kontinenten zuzuordnen sind. Anhand von Rissen in der Schädeldecke haben Forscher 1864 nachgewiesen, dass die Personen in dem Schrein exakt den drei Lebensabschnitten zuzuordnen sind: Jugend, Erwachsenen-Dasein, Alter – es dauert nämlich rund 50 Jahre, bis der Schädelknochen vollständig zugewachsen ist. Die symbolische Bedeutung, dass die Herrscher sämtlicher Kontinente und Menschen jeden Alters den neugeboren Jesus als Messias anerkennen und ihm huldigen, ist jedoch zu eindeutig, um wahr zu sein und historisch nicht verbürgt. "Der Aussagewert der Symbolik der Geschichte ist schon bei Matthäus, der in ihr eine historische Überlieferung gesehen hat, so ausgeprägt, dass man historische Einzelheiten hinter dieser Geschichte kaum noch erkennen kann", erklärt Thomas Söding, Theologe an der Ruhr-Universität Bochum. Dennoch ist er überzeugt: "Die theologische Wahrheit hängt nicht an Faktendichte."
Thomas Söding im Interview
Lesen Sie hier das komplette Interview mit dem Bibel-Forscher Thomas Söding von der Ruhr-Universität Bochum. Zum InterviewKeine Könige und nicht heilig
Zumal die Könige im Matthäus-Evangelium noch "Magoi" also "Magier" oder "Weise" genannt werden. Sie wurden auch nie offiziell heiliggesprochen; doch Blachmann betont: "Das war ja damals völlig egal, denn heilig war, wer als Heiliger verehrt wurde." Dass sie zu dritt waren, ist ebenfalls unwahrscheinlich, da wichtige Personen nicht ohne Gefolge reisten. Auch in der Kunst werden mal zwei, mal drei, mal vier Könige dargestellt. Vor diesem Hintergrund scheint es wahrscheinlich, dass sich die Zahl "Drei" letztlich wegen ihres symbolischen und theologischen Gehalts durchgesetzt hat. Erst im 14. Jahrhundert strickte Johannes von Hildesheim daraus die heute bekannte Legende von den Heiligen Drei Königen. Das Buch befindet sich in der Herzog-August-Bibliothek in Wolfenbüttel.
„Eine Idee, weil genau wissen können wir es nicht.“
Doch wo liegt der wahre Kern der Legende? An diesem Punkt knüpft der Film von Papirowski und Blachmann an: Mit eindrucksvollen Bildern und nachgestellten Szenen versuchen die beiden den Menschen eine Idee davon zu vermitteln, wie die Geschichte sich ereignet haben könnte. "Eine Idee", erklärt Blachmann, "weil genau wissen können wir es nicht."
Eine Spur aus Stoffresten, Sternen und Protokollen
Im ersten Teil des Films erklärt der mittlerweile emeritierte Historiker Arnold Angenendt was die Reliquien für den Wirtschaftsstandort Köln bedeuten. Er ist so etwas wie der heimliche Star des Films, weil es wenige Fachleute gibt, die so mitreißend über Ereignisse berichten können, die 800 bis 2.000 Jahre zurückliegen. Anschließend heften sich Papirowski und Blachmann an die Spuren der Könige: Sabine Schrenk, Professorin für christliche Archäologie an der Universität Bonn, analysierte die Stoffreste aus dem Drei-König-Schrein: Er Stoff könnte aus Palmyra in Syrien stammen – damals der wahrscheinlichste Weg, um aus Babylon nach Palästina zu reisen. Doch die Analyse hat auch ergeben, dass der Stoff vermutlich zwischen dem zweiten und dem vierten Jahrhundert gewebt worden ist – also 200 bis 400 Jahre nach Jesu Geburt.
Dennoch ist es die dichteste Spur zu den drei Weisen. Und schließlich fragen sie Susanne Hüttemeister, Astronomin der Ruhr-Universität in Bochum, welchem "Stern" die Weisen gefolgt sein könnten. Deren Team hat mit einem Projektor die Gestirne der Jahre vier bis sieben nach Christus simuliert und einige Phänomene benannt, auf die sich die Bibel beziehen könnte. Ergänzend dazu analysiert der Altorientalist Markus Hilgert von der Universität Heidelberg die Protokolle der alten Sterndeuter. Dabei treten interessante Phänomene zutage und ganz nebenbei bekommen die Zuschauer einen Eindruck davon, wie Forschung funktioniert.
Mit den nachgestellten Szenen, den vielen Effekten und der opulenten Musik wirkt der Film sehr bombastisch. Bisweilen entsteht jedoch der Eindruck, dass der Bombast zum Selbstzweck wird. Einige Sequenzen bestehen aus Computer-Animationen, die hier und da etwas holprig wirken. Insgesamt ist Martin Papirowski und Martin Blachmann mit "Die Heiligen Drei Könige" aber eine spannende Dokumentation gelungen, die die entscheidenden Fragen stellt und soweit beantwortet, wie es nach dem Stand der Wissenschaft möglich ist.
Von Michael Richmann