Vor 225 Jahren wurde Joseph von Eichendorff geboren

Poetik der Sehnsucht

Veröffentlicht am 10.03.2013 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Literatur

Bonn ‐ Die Dichter der Romantik haben sich bis heute mit ihren Liedern und Gedichten, ihrem Schwung und ihrem Lebensgefühl tief ins Bewusstsein gegraben. Einer der letzten dieser nur rund 30 Jahre dauernden Epoche war Joseph von Eichendorff. Vor 225 Jahren, am 10. März 1788, wurde er auf Schloss Lubowitz bei Ratibor in Oberschlesien geboren.

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Eichendorff lebte in einer Zeit vielfältiger Umbrüche. Kurz nach seiner Geburt begann die Französische Revolution, am Ende seines Lebens war die Industrialisierung in vollem Gange. Dazu kamen soziale Veränderungen, der Adel verlor allmählich seine Vorrangstellung in Staat und Gesellschaft und häufig auch seine ökonomische Basis. Davon war auch die Familie Eichendorff betroffen. Der Vater hatte sich verspekuliert, die Familiengüter waren hoch verschuldet und wurden nach dem Tod der Eltern zwangsversteigert. Vor allem unter dem Verlust von Lubowitz litt Eichendorff lebenslang.

Trotzdem pflegte die Familie einen standesgemäßen Lebensstil. Joseph und sein nur wenig älterer Bruder Wilhelm hatten ihren eigenen Hofmeister, der sie unterrichtete. Die meisten Besitzungen der Familie lagen im sogenannten Dreispracheneck an der Grenze zu Polen und Mähren. Joseph lernte deshalb nicht nur alte Sprachen, Französisch und Spanisch, sondern auch Polnisch. Seine Tagebuchaufzeichnungen zeugen schon früh von literarischen Neigungen: Bereits als Kind schrieb er erste Gedichte.

Bis zum Beginn ihrer Berufstätigkeit waren Joseph und Wilhelm unzertrennlich: Gemeinsam besuchten sie das Gymnasium in Breslau und studierten danach Jura in Halle und Heidelberg. Die Brüder genossen das ungebundene Studentenleben in vollen Zügen; Eichendorff hörte Vorlesungen bekannter Philologen und Philosophen. In Heidelberg veröffentlichte er auch erste Gedichte, allerdings unter einem Pseudonym.

Überindividuelle Sehnsuchtsorte

Heidelberg war zu dieser Zeit ein Zentrum der Romantik, die Dichter Achim von Arnim, Clemens Brentano und der Publizist Joseph Görres lebten hier. In seinen Erinnerungen schwärmte Eichendorff geradezu von Arnim und Brentano; ihre Liedersammlung "Des Knaben Wunderhorn" hatte maßgeblichen Einfluss auf seine Lyrik. In Heidelberg entstanden so bekannte Gedichte wie "O Täler weit, o Höhen". Das Gedicht trug ursprünglich den Titel "An den Hasengarten". Der Hasengarten war ein waldartiger Teil des Parks von Schloss Lubowitz.

Schloss Lubowitz im Jahr 2008.
Bild: ©Klaudiusz Tobiasz/Creatvie Commons

Schloss Lubowitz im Jahr 2008.

Der Titel verweist damit auf ein typisches Merkmal Eichendorffscher Lyrik: Der Dichter bezog sich in seinen Gedichten auf konkrete Orte, weitete diese persönlichen Erfahrungen aber ins Allgemeine, so dass überindividuelle Sehnsuchtsorte daraus wurden, mit denen sich seine Leser identifizieren konnten. Einsamkeit, Verlust und Sehnsucht, die Einheit von Natur und nicht erreichbarem Paradies wurden zu Leitmotiven seiner Lyrik und gelten bis heute als Kennzeichen romantischer Dichtung. Viele seiner Gedichte wurden von Komponisten wie Robert Schumann und Felix Mendelssohn-Bartholdy vertont - am Ende wurde Eichendorff von seinen Zeitgenossen vor allem als Volkslieddichter wahrgenommen.

Dabei war sein Werk sehr viel breiter angelegt. Eichendorff schrieb Romane, Novellen und Schauspiele. Im fortgeschrittenen Alter kamen historische und literaturhistorische Abhandlungen und Übersetzungen des spanischen Dichters Calderon hinzu. Die Resonanz war eher mäßig, aber im Laufe der Zeit etablierte sich Eichendorff in der literarischen Szene. Seinen Lebensunterhalt musste er selbst verdienen, die finanzielle Situation der Familie wurde zunehmend schwieriger. Als er 1815 seine langjährige Verlobte Luise von Larisch heiratete, geschah das gegen den Willen der Eltern. Die hatten eine profitablere Heirat für ihren Sohn geplant.

Nach einem Intermezzo als Freikorps-Offizier wurde er Verwaltungsjurist. Berufliche Stationen waren Danzig, Königsberg und Berlin. Seine Karriere war bescheiden, er wurde vergleichsweise mäßig bezahlt und war als Katholik ein Fremdkörper im protestantisch-preussischen Verwaltungsapparat. Er reibe seine Kräfte nutzlos auf, klagte er in einem Brief an Joseph Görres. Verdienste erwarb er sich um den Erhalt der Marienburg und den Kölner Dombau. Während einer beruflich unbefriedigenden Zeit in Königsberg veröffentlichte er seine bekannteste Novelle "Aus dem Leben eines Taugenichts". Dieser liebenswürdige junge Mann, der frei und ungebunden der Musik und der Liebe folgt und dadurch bis nach Italien kommt, ist der Romantiker schlechthin. Die Novelle markiert deshalb nicht nur das Ende, sondern auch einen Höhepunkt romantischer Dichtkunst.

"Mein bester Umgang"

Möglicherweise spiegelte sich Eichendorff in seinem Taugenichts. Er selber war kein charismatischer Mensch, eher spröde im Umgang, politisch nüchtern ohne Neigung zum damals aufkommenden Nationalismus und von schlichter, im Katholizismus verankerter Frömmigkeit. Der Fürstbischof von Ermland schrieb über ihn: "Herr von Eichendorff ist einer der geist- und gemütvollsten Menschen, die ich kenne, dabei ein treuer, eifriger katholischer Christ und ein ausgezeichneter Dichter, er ist mein Freund und mein bester Umgang allhier ...". Dem Bischof gefiel nicht nur ein Marienlied Eichendorffs, das im Ermland weite Verbreitung gefunden hatte, er hatte in dem Juristen auch einen wertvollen Ansprechpartner in der Verwaltung gefunden.

An die sich verändernden Tendenzen der Literatur, den Vormärz und Realismus, fand er keinen Anschluss; Eichendorff blieb Romantiker bis zuletzt. 1844 ging er vorzeitig in Pension und lebte von da an mit seiner Frau bei einer Tochter in Danzig, später in Berlin und Neisse. Ausgedehnte Reisen führten ihn in diesen Jahren unter anderem nach Wien. Als seine Frau 1855 starb, ließen auch seine Kräfte spürbar nach. Am 26. November 1857 starb er in Neisse und wurde neben seiner Frau begraben. Die einfachen Marmorplatten auf dem dortigen Jerusalemer Friedhof erinnern noch heute an einen großen deutschen Dichter.

Von Birgitta Negel-Täuber (KNA)