Schuld und Vergebung

Das Original hatte seine Familie schon vor Jahren dem Museum zur Verfügung gestellt. Der Kirchenmann vermutet, dass der Mordanschlag ihm gegolten hat und der Mann, den er nach der Mordnacht im Garten beobachtet hat, der Täter ist. Zu denken gibt auch der Fremde, der eine verwahrloste Frau ins Krankenhaus gebracht hat mit der Anmerkung, Bischof Lorenz würde sich um sie kümmern. Die Frau verstarb noch in der gleichen Nacht. Die Kripo steht vor einem Rätsel.
Der neueste Fernsehfilm "Das letzte Wort" des Regisseurs Didi Danquarts, den ARTE am Freitag um 20.15 Uhr ausstrahlt, beginnt wie ein durchschnittlicher Krimi. Zeugen werden befragt, Phantombilder erstellt, die üblichen Ermittlungsrituale laufen an.
Streitgespräch über Glauben, Schuld, Vergebung und Sühne
Kurz bevor Bischof Lorenz von zu Hause aufbrechen möchte, erscheint ein junger Mann. "Schneider, LKA" stellt er sich vor. Ein wenig ungeduldig bittet der Bischof ihn ins Haus. Nachdem die Haushälterin sich verabschiedet hat, beginnt der Mann seine Fragen zu stellen. Die sind aggressiv und zum Teil sehr persönlich. Der Bischof ist zu Recht verärgert, doch der Fremde lässt nicht locker. Als Bischof Lorenz durch ein Fax der Polizei erfährt, dass sein Besucher der polizeilich gesuchte Ex-Häftling Oliver ist, wird er überwältigt und gefesselt.
Bischof Lorenz (Thomas Thieme)
Jetzt ist er sich sicher, dass der Fremde seinen Bruder getötet hat und auch ihm nach dem Leben trachtet. Oliver beginnt mit dem Geistlichen ein Streitgespräch über Glauben, Schuld, Vergebung und Sühne.
Der Kriminalfilm wandelt sich zu einem unter die Haut gehenden Kammerspiel, exzellent gespielt von Thomas Thieme als Bischof Lorenz und Shenja Lacher als Oliver. Der mit einer Pistole und Handgranaten bewaffnete Geiselnehmer wirft dem Bischof vor, er habe vor Jahrzehnten ein junges Mädchen ermutigt, ihr Kind auszutragen und es dann zur Adoption freizugeben. Für den Mord an dem Bruder des Bischofs möchte Oliver Absolution, dann werde er Lorenz selbst freigeben. Dr Bischof nimmt das Gespräch auf, widerlegt Olivers Argumente und beginnt gleichzeitig, sich selbst Fragen zu stellen.
Mitgefühl und Widerspruch
Selten ist in den letzten Jahren ein Fernsehfilm gezeigt worden, der sich so intensiv mit existenziellen religiösen Fragen beschäftigt. Den Zuschauern, die Action und schnelle Bildwechsel gewöhnt sind, wird viel abverlangt. Aber es lohnt sich, den beiden Kontrahenten zuzuhören und über die Fragen, die sie anschneiden, nachzudenken. Obgleich dieser Dialog geradezu eine Stellungnahme herausfordert, fällt es schwer, wirklich Partei zu ergreifen.
Vieles von dem, was Oliver beklagt, weckt Mitgefühl, anderes wiederum erfordert eindeutigen Widerspruch. Diese theologische Auseinandersetzung berührt tief und ist gleichzeitig von einer packenden Dramatik. Das Ende kommt schnell, überraschend und macht betroffen. Welche Position man als Zuschauer auch einnimmt, ein Satz des Bischofs klingt lange nach: "Die Welt ist nicht gerecht, aber Gott hat uns die Möglichkeit gegeben, sie gerechter zu machen."
Von Monika Herrmann-Schiel (KNA)