"Ich glaube an das Kabarett"

Bis zum Montag geben sich bekannte Größen des deutschen Kabaretts in der Bad Godesberger Gemeinde ein Stelldichein: Margie Kinsky und Vince Ebert waren schon da, es folgen Bill Mockridge, Oliver Polak, Dr. Eckart von Hirschhausen und Oliver Welke. "In evangelischer Freiheit feiern erstklassige Kabarettisten eine Glaubenswoche", sagt Pfarrer Siegfried Eckert. Schon beim Apostel Paulus heiße es: "Freut euch mit den Fröhlichen und weint mit den Traurigen."
Kein Narr um Christus willen
Der Pfarrer der Kultur erprobten Pauluskirche begrüßt Jürgen Becker, indem er ihm die Leviten liest. Mit einem Narren mache man keine Pläne, zitiert Eckert aus der Bibel. Der Narr, so scheint es, taugt nicht viel. Bis der Apostel Paulus kommt und sagt, "wir sollen Narren um Christus willen sein". Ein Narr um Christus willen ist der 53-jährige Becker gewiss nicht. "Ich glaube an das Kabarett", verkündigt der gebürtige Kölner, der leger in Jeans, hellblauem Jackett und rotem Hemd die Bühne betritt. Zu seiner rechten leuchten sieben Kerzen unter dem Kreuz, ein Stück weiter die Osterkerze. Das meiste Licht aber fällt heute Abend auf diesen rheinischen Narren der Neuzeit mit der ergrauten Lausbubenfrisur.
In einem Interview hat Becker mal gesagt, die Kirche habe sich zu einer humorfreien Zone entwickelt, und das dürfe auf keinen Fall so bleiben, weil Religion und Humor sich von jeher magisch anzögen. Becker möchte die Religion mit dem Humor versöhnen. Das aber tut er in exzellenter kabarettistischer Manier und zwar ohne Tabus. Schwungvoll enthüllt Becker eine Kopie des surrealistischen Max-Ernst-Bildes "La vierge corrigeant l'enfant Jésus" (Die Jungfrau züchtigt das Jesuskind). In Beckers derberen Worten versohlt Maria Jesus den Allerwertesten.
Mehr Information
1. Kabarettistische GlaubenswocheDer Kabarettist und der Kardinal
Dass Kunst und Religion verwandt sind, zeigt der Kabarettist in einer Diaschau zur Kunst- und Kulturgeschichte. Dabei spielt Becker den frechen Kunsthistoriker. Der gebürtige Kölner reibt sich gerne an Kardinal Meisner, den er spöttisch "Kanal" nennt. Meisner wolle, "dass die Kölner ihn lieben, aber die Kölner geben sich keine Mühe". Recht gibt Becker dem Kardinal für seine Kritik am Kölner Dom-Fenster von Gerhard Richter: "Er hatte ein Kirchenfenster bestellt und bekam ein Kneipenfenster. Erinnert an die Butzenscheiben eines Vereinslokals." Ja, der pfiffige Kölner kenne eben den Unterschied zwischen Frühmesse und Frühschoppen.
Die 350 Zuschauer in der Pauluskirche hängen an Beckers Lippen und folgen ihm immer wieder laut lachend und Beifall klatschend durch gut 5.000 Jahre Kulturgeschichte. Besonders spannend wird es für die Christen, wenn es um Geschichten und Gestalten aus der Bibel geht. Nach Becker’scher Lesart nennen die Kölner ihren Jesus einfach "Zimmermanns Jupp singe Jung". Und weil der "Jupp" die Geschichte vom Gottvater geglaubt habe, "hat man ihn heilig gesprochen". Becker benennt die Widersprüche, die er in den Religionen zu entdecken glaubt. Dazu gehört auch der Heilige Geist. Nach einem Auftritt habe er beim Kölsch einen katholischen Pfarrer gebeten, ihm die Dreifaltigkeit zu erklären. Da habe der Geistliche einen brillanten philosophischen und theologischen Satz gesagt: "Herr Becker, um diese Uhrzeit..." Der Rest ist Lachen.
Erinnerung an Christiane Weber
Die Kabarettgemeinde beweist, dass in der Pauluskirche niemand zum Lachen in den Keller gehen muss. Einen traurigen Moment gibt es an diesem heiteren Abend aber doch: Pfarrer Eckert erinnert an die Essener Musikkabarettistin Christiane Weber, die als erste für die Glaubenswoche zugesagt habe, im letzten Juni aber im Alter von nur 36 Jahren an Krebs gestorben ist. In Gedenken an die Künstlerin präsentiert die Pauluskirche an diesem Freitag um 16 Uhr das Kinderkonzert "Krümelmucke". Der Nachruf auf ihrer Homepage endet mit den Worten: "Himmel ist oben!"
Von Sascha Stienen