Pofillose Parteien: Da hilft auch der Wahl-O-Mat nicht

"Ich stimme nicht zu"

Veröffentlicht am 30.08.2013 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Bundestagswahl

Bonn ‐ Es ist wieder so weit. Am 22. September wird gewählt. Nicht Deutschlands neuer Superstar oder Germany’s next Topmodel, sondern der neue Bundestag. Schon seit Wochen lese ich die Zeitungen, sitze vor dem Fernseher und durchstöbere die Wahlprogramme unserer Parteien. Aber ich weiß noch immer nicht, wen ich wählen soll, kann, darf. Wie soll sich da Otto Normalverbraucher sicher sein?

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Das einzige, bei dem ich mir sicher bin, ist folgendes: Früher war alles einfacher. Da waren Parteien noch geprägt durch Ideologien. Und durch Klischees. Da wählte der Malocher im Pott die SPD, weil die etwas "für die einfachen Leute tut". Das hat sich spätestens mit der Agenda 2010 erledigt. Denn die Einführung von Hartz IV hat so manchem der "einfachen Leute" gehörig die Laune verdorben.

Und dann waren da die Konservativen, die sogenannte "bürgerliche Mitte". Auch hier war klar, wie der Hase läuft: Pfarrfest, Sonntagsbraten, CDU. Heute wird das "C" allerdings nur noch aus "political correctness" im Parteinamen groß geschrieben. Es soll ja nicht benachteiligt werden. Und zu guter Letzt gab es für die, die es geschafft hatten, für die Zahnärzte und Wirtschaftsbosse, die liberale FDP. Das war es dann aber auch. Wer einen Sinn für Romantik oder einen Hass auf den eben erwähnten Sonntagsbraten hegte, konnte aus Protest die Grünen wählen. "Hippies" nannte man diese Leute.

Der "Katholik" hat sich einmal durchgeklickt

Doch heute ist alles anders. Die Werbeslogans der Parteien sind sinn- und positionslos. "Gemeinsam erfolgreich für Deutschland" (CDU) gegen "Das WIR entscheidet" (SPD). Doch ohne klare Meinungen und Positionen bin ich als Katholik auf verlorenem Posten. Was also tun? Die einfache Lösung besteht aus einem Wort. Es heißt "Wahl-O-Mat". Klingt bescheuert, ist es auch. Das Angebot der Bundeszentrale für politische Bildung soll dem ahnungslosen Bürger die Wahl erleichtern – und tut das äußerst oberflächlich. Ich habe mich einmal mit dezidiert katholischer Meinung – die nicht immer und in allen Belangen meiner eigenen entsprach – durchgeklickt. Deshalb wird im Folgenden aus dem "ich" der unbestimmte "Katholik".

Bild: ©bpb

Der Wahl-O-Mat soll dabei helfen, die "richtige" Partei für die Bundeswahl 2013 zu finden.

38 Thesen, 38 Mal die Möglichkeit mit "Ich stimme zu", "Ich stimme nicht zu" und mit "neutral" zu antworten. Es geht um Bildung, Wirtschaft, Rüstung, Infrastruktur und vieles mehr. Alle Thesen und die Antworten des "Katholiken" hier aufzuführen, würde allerdings den Rahmen sprengen. Zumal dem Christen die Entscheidung, ob man 65 oder 67 Jahre alt sein sollte, um in Rente zu gehen, auch nicht von der katholischen Soziallehre oder dem Katechismus abgenommen wird.

Doch es gibt sie, die Fragen, die man "katholisch" beantworten kann. Zum Beispiel die nach dem Betreuungsgeld oder dem Ehegattensplitting. Beiden kann zugestimmt werden, beide unterstützen Ehe und Familie als Keimzelle der Gesellschaft. Beim bedingungslosen Grundeinkommen oder der Verstaatlichung der Banken sieht die Sache schon anders aus. Klingt stark nach Sozialismus, weshalb der "Katholik" hier eher nicht zustimmt. Immerhin hat Johannes Paul II. Jahrzehnte dagegen gekämpft.

Den Armen und Schwachen muss geholfen werden

Der "Katholik" unterstützt die ökologische Landwirtschaft und ist gegen den Bau neuer Kohlekraftwerke, denn er hat eine Verantwortung für die Schöpfung. Auch wenn die Energiewende teuer wird. Er ist auch für einen Länderfinanzausgleich und einen erhöhten Spitzensteuersatz. Denn dass den Armen und Schwachen geholfen werden muss, ist nicht erst seit Papst Franziskus Meinung der Kirche. Der Reichtum von Bundesländern und Privatpersonen beruht auch immer auf den Vorzügen, die das System ihnen bietet. Sie können diesem also auch etwas zurückzahlen. Und bekanntlich hat das letzte Hemd sowieso keine Taschen.

Bild: ©bpb

Der Wahl-O-Mat soll dabei helfen, die "richtige" Partei für die Bundeswahl 2013 zu finden.

Genauso ist die kirchliche Position beim Aufnehmen von Flüchtlingen oder der verstärkten Einstellung von Menschen mit Migrationshintergrund im öffentlichen Dienst klar. Denn die Kirche setzt sich für eine "Kultur der Aufnahme" ein. Letztlich gibt es sogar Fragen, bei denen der "Katholik" gar nicht anders kann, als zuzustimmen. Soll der Staat weiterhin für Religionsgemeinschaften Kirchensteuern erheben? Ja, das sollte er, will er auch zukünftig von den beiden großen Kirchen in Deutschland profitieren. Denn die Gelder aus Kirchensteuern werden nicht nur innerkirchlich genutzt, sondern tragen auch zur caritativen, sozialen und kulturellen Bereicherung bei.

Ähnlich entschieden muss sich der "Katholik" wohl bei der "Pille danach" positionieren. Dabei geht es nicht um die generelle Erlaubnis der Nutzung, sondern um die Rezeptpflicht. Wenn das Zeugen und Töten von Leben nicht zur Alltagsroutine werden soll, darf die „Pille danach“ nicht in der Supermarktkasse neben der Kaugummipackung zu finden sein.

Ad absurdum geführt

Nach 38 Klicks ist der "Katholik" fast am Ziel. Die Spannung steigt. Wen wird er, wen soll er wählen? Leider muss er sich jetzt selbst für acht Parteien entscheiden, die der Wahl-O-Mat vergleichen soll. Eigentlich schade, da so die 20 anderen Parteien vorab von der Überprüfung ausgeschlossen werden. Der Sinn und Zweck des Wahl-O-Mat wird an dieser Stelle also ad absurdum geführt. Die Auswertung ist dann ebenso unbefriedigend: Die Antworten des "Katholiken" stimmen zu 57 Prozent mit den Zielen der Grünen überein - und mit denen von CDU/CSU, AfD und Piraten.

Der "Katholik" ist also so schlau wie zuvor. Was mich wieder zurück zum Anfang führt: Es ist nicht mehr so einfach wie früher. Und auch der Wahl-O-Mat kann dem unentschlossenen Wähler nicht wirklich helfen. Denn den Parteien fehlt das Profil. Übrigens: Wer alle 38 Fragen mit "neutral" beantwortet, ist in den Augen der Politiker sicherlich der ideale Bürger, da er gegen politische Entscheidungen nicht aufbegehren wird. Der Wahl-O-Mat spuckt dann allerdings keine Wahlempfehlung aus.

Von Björn Odendahl

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