"Müssen kirchliche Immobilien anders nutzen oder sogar aufgeben"

Erzbistum Berlin: Koch kündigt "tiefe Einschnitte" bei Immobilien an

Veröffentlicht am 07.07.2023 um 12:49 Uhr – Lesedauer: 

Berlin ‐ Das Erzbistum Berlin steht mit Blick auf seinen Immobilienbestand vor einer Zäsur. Erzbischof Koch kündigte am Freitag "tiefe Einschnitte" an. Man werde in größerem Umfang Kirchengebäude "anders nutzen oder sogar aufgeben müssen".

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Der Berliner Erzbischof Heiner Koch hat "tiefe Einschnitte" beim Immobilienbestand seines Erzbistums angekündigt. Man werde "in größerem Umfang" Immobilien wie Pfarr- und Gemeindehäuser sowie Kirchengebäude "anders nutzen oder sogar aufgeben müssen", schreibt Koch in einem am Freitag veröffentlichten Brief an die Pfarrgemeinden seiner Erzdiözese. Zur Begründung führt der Erzbischof unter anderem die bereits gesunkene und voraussichtlich weiter sinkende Zahl an Katholiken sowie die in den kommenden Jahren erwarteten Ausfälle bei den Kirchensteuereinnahmen an.

Die langfristige Sicherung der Präsenz der Kirche bei den Menschen sei eine große Herausforderung, für die so viele personelle und materielle Ressourcen wie möglich aufgewendet würden. "Damit uns diese auch langfristig zur Verfügung stehen, werden wir tiefe Einschnitte in den Immobilienbestand unserer Kirche vornehmen müssen. So wichtig Kirchen und Räume als Orte des Gebets und des Zusammentreffens sind, dürfen die mit den Räumen verbundenen Kosten niemals dazu führen, dass es uns an Personal und anderen Mitteln für Seelsorge und Verkündigung fehlt", so Koch in seinem Schreiben.

"Viele Räume verschlingen erhebliche Mittel"

Werde jetzt nicht gehandelt, dann bestehe die sehr konkrete Gefahr, dass genau eine solche Situation eintrete. Einerseits müsse man damit rechnen, dass die Einnahmen aus Kirchensteuern in den kommenden Jahren sänken. "Andererseits verschlingen viele Räume, die wir in der Vergangenheit für Bedürfnisse geschaffen haben, die wir heute so nicht mehr haben, erhebliche Mittel", betont Koch. So müsse etwa die Frage gestellt werden, ob es heute nicht wichtiger sei, junge Menschen über soziale Medien zu erreichen, als einen kaum genutzten Gruppenraum zu erhalten.

Der 69-Jährige verweist in seinem Brief zudem auf die Verantwortung für die Schöpfung. Diese dränge zu einer klimagerechten Nutzung und Modernisierung der Gebäude. Die Maßnahmen und Investitionen, um zur CO2-Neutralität zu kommen, duldeten keinen Aufschub. "Die aktuelle Lage verschärft die Dringlichkeit: Kosten für Energie haben sich massiv verteuert, Lieferengpässe und Fachpersonalmangel bereiten zusätzliche Schwierigkeiten", so Koch.

Bild: ©KNA/Michael Merten (Symbolbild)

Sanierungsmaßnahmen sollen laut Erzbischof Koch nur noch dann vom Erzbistum bezuschusst werden, wenn klar ist, dass die jeweilige Immobilie auch dauerhaft in der pastoralen Nutzung verbleibt.

Zugleich betont er in seinem Schreiben, dass es "keineswegs" in erster Linie um den Verkauf von Immobilien gehe: "Genauso zielführend sind Umnutzungen, Kooperationen, Verpachtungen oder andere kreative Ideen, die im jeweiligen Sozialraum mit vielen Nachbarn und Partnern entwickelt werden können." Man werde entscheiden müssen, auf welche Immobilien die künftig verfügbaren Kirchensteuern konzentriert und für welche Immobilien damit schnellere und weitreichendere Veränderungen erforderlich würden. "Wir haben es selbst in der Hand, die Zukunft unserer Kirche zu gestalten", so Koch.

Nach seinen Angaben sucht das Erzbistum derzeit einen Immobiliendienstleister, der die Pfarreien bei dem anstehenden Prozess zur künftigen Entwicklung der kirchlichen Immobilien beraten und unterstützen soll. Um die Pfarreien in die Lage zu versetzen, zu Entscheidungen zu kommen, werde das Erzbischöfliche Ordinariat mit den Bereichen Bau, Finanzen, Pastoral und dem Arbeitsbereich Pfarreientwicklung diesen Prozess fachlich und pastoral begleiten und die Kosten dafür tragen. Die Verantwortung bleibe aber bei den Pfarreien selbst. Nach Kochs Worten soll der "Prozess der Beratung, Entscheidung und Umsetzung" bis 2030 abgeschlossen sein. Außerdem würden in der Regel nur noch Sanierungsmaßnahmen bezuschusst, wenn klar sei, dass die jeweilige Immobilie auch dauerhaft in der pastoralen Nutzung verbleibe.

Vorsitzende des Diözesanrats sieht "schmerzhafte Entscheidungen"

Der Prozess hat laut Koch allerdings nur dann eine Chance, wenn er umfassend transparent ist, alle fachlichen Aspekte gehört werden und nicht allein finanzielle Abwägungen eine Rolle spielen. "Die Entscheidung, welche Immobilien wir zukünftig pastoral benötigen, umnutzen oder aufgeben, muss bestmöglich vorbereitet sein; die Betroffenen sind einzubeziehen", so der Erzbischof.

Dies betonte in einer ersten Reaktion auch die Vorsitzende des Diözesanrats der Katholiken im Erzbistum Berlin, Karlies Abmeier. "Der herausfordernde Prozess der Flächenreduzierung wird nur gelingen, wenn die Menschen in unseren Pfarreien an den konkreten Entscheidungen ernsthaft beteiligt werden. Wir müssen als Kirche im Erzbistum Berlin in gemeinsamer Verantwortung entscheiden und handeln", so Abmeier. Neben den pastoralen Erfordernissen seien Überlegungen des Klimaschutzes bei der zukünftigen Gebäudenutzung von besonderer Bedeutung. Zugleich sprach sie von "schmerzhaften Entscheidungen", die den Katholiken in Berlin, Brandenburg und Vorpommern bevorstünden. (stz)