EU-Bischofskommission wirbt in Brüssel für ein Europa der Werte

Kirchenstimme im europäischen Konzert

Veröffentlicht am 18.03.2015 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
COMECE

Brüssel ‐ Was will Kirche in der EU? Nur meckern oder auch mitgestalten? Letzteres, betont der Vorsitzende der EU-Bischöfe, Kardinal Reinhard Marx . Themen dafür gibt es auf dem Spielfeld Europa genug. Europa ist mehr als eine Wirtschaftsunion. Mit dieser Überzeugung wirbt die katholische Kirche für eine stärkere Zusammenarbeit des Kontinents.

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Ein wichtiges Instrument, um ein Europa der Werte zu fördern, ist die EU-Bischofskommission COMECE, in der Vertreter der Bischofskonferenzen aller 28 EU-Staaten zusammengeschlossen sind. Bis Freitag tagt sie unter ihrem Vorsitzenden, dem Münchner Kardinal Reinhard Marx (61), in Brüssel.

Als Aufgabe der COMECE beschreibt Marx, der seit 2012 an der Spitze der Kommission steht, die politische Agenda der EU "sozialethisch, kritisch und positiv" zu begleiten. Die COMECE wolle ein Bild Europas befördern, das die Einheit des Kontinents mit einer gemeinsamen Idee versehe. "Wir sollten als Kirche eher die Promotoren einer positiven europäischen Einigung sein und nicht die Bedenkenträger", betont er.

Entstanden ist die "Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft" im Zuge der ersten Direktwahlen zum Europaparlament 1979. Die Konstruktion als Verbindungsstelle zur EU-Politik ist jener der Katholischen Büros in Deutschland nicht unähnlich. Auch dort halten Kirchenvertreter Kontakt zu Parlamenten und Regierungen in Bund und Ländern und versuchen, Politik im Sinne der Kirche mitzugestalten.

Deutsche als prägende Figuren der COMECE

Deutsche haben Struktur und Inhalte der COMECE entscheidend mitgeprägt. Von den bislang sechs Vorsitzenden kamen drei aus Deutschland: außer Marx der Gründungspräsident und Bischof von Essen, Franz Hengsbach (1982-1984), sowie Bischof Josef Homeyer von Hildesheim (1993-2006).

Kardinal Reinhard Marx.
Bild: ©KNA

Kardinal Reinhard Marx.

Mit dem historischen Umbruch in Europa Anfang der 90er Jahre erhält für die katholische Kirche auch ihre Brüsseler Vertretung zusätzliche Bedeutung. Der Fall des Eisernen Vorhangs und der Vertrag von Maastricht (1992) machen ein Neudenken des europäischen Projekts nötig. Unter Kommissionspräsident Jacques Delors (1985-1995) entsteht ein allmählich institutionalisierter Dialog zwischen der EU und den als "sinnstiftend" empfundenen Religionsgemeinschaften.

Mit Bischof Homeyer und dessen agilem Generalsekretär Noel Treanor (1993-2008) bekommt die COMECE einen festen Platz im Brüsseler EU-Konzert, als kirchliche Schnittstelle zu den europäischen Institutionen. Zwar gelingt es nicht, einen Gottesbezug in der am Ende gescheiterten EU-Verfassung festzuschreiben. Doch in der Europäischen Grundrechtecharta und anderen "Werteprojekten" haben ihre Beiträge Niederschlag gefunden. In den EU-Verträgen von Amsterdam 1997 und Lissabon 2009 konnten die Kirchen ihre Rechtsstellung in den Mitgliedstaaten sichern.

Katholische Soziallehre inspiriert

Die Stellungnahmen der COMECE sind von der katholischen Soziallehre inspiriert. Ihre Arbeitsthemen reichen von Religion und Staat im engeren Sinne über die Rolle der EU in der Welt - Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik, Handelsfragen - bis hin zum europäischen Gesellschaftsmodell: soziale Probleme, Forschung und Bioethik, Bildung und Jugend, Förderung von Demokratie. Eine wichtige Rolle spielen auch Fragen um Recht und Gerechtigkeit: Menschenrechte, Asyl und Justiz sind Bereiche, in denen die Stimme der Kirche zu hören ist. Angesichts von Krim-Krieg und Syrien-Konflikt wird das beunruhigende Arbeitsfeld der Friedenspolitik Europas immer wichtiger.

Die EU-Bischofskommission versucht, christliche Werte wie den Schutz von Familie, Leben und Menschenwürde in einer europäischen Gesellschaft zu verteidigen, in deren Mitgliedstaaten sich teils tiefgreifende Paradigmenwechsel vollziehen. Sterbehilfe, Biotechnologie, gleichgeschlechtliche Ehen, Sozialkürzungen, Arbeitnehmerrechte und der Sonntagsschutz sind nur einige Beispiele.

2012 legte die COMECE unter Federführung von Marx ein Dokument vor, das die EU auffordert, das Konzept der sozialen Marktwirtschaft zu einer internationalen "Solidaritäts- und Verantwortungsgemeinschaft" weiterzuentwickeln. Ohne staatliches Eingreifen sei der freie Markt nicht in der Lage, bestimmte öffentliche Güter für alle Bürger bereitzustellen, etwa im Gesundheits- und Bildungsbereich.

Von Alexander Brüggemann (KNA)

Stichwort: COMECE

In der EU leben rund 273 Millionen Katholiken. Das entspricht einem Anteil von 54 Prozent der Bevölkerung. Die EU-Bischöfe sind vertreten in der Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft, kurz COMECE (lat.: Commissio Episcopatum Communitatis Europensis). Sie setzt sich aus delegierten Bischöfen der 28 katholischen Bischofskonferenzen der EU zusammen. Die Schweizer Bischofskonferenz ist assoziiertes Mitglied. Die COMECE verfügt über ein ständiges Sekretariat mit Sitz in Brüssel. Sechster Vorsitzender in ihrer fast 35-jährigen Geschichte ist derzeit der Erzbischof von München und Freising und Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx (61). Die COMECE entstand im Zuge der ersten Direktwahlen zum Europaparlament 1979. Als Verbindungsstelle zur EU-Politik ähnelt sie den Katholischen Büros in Deutschland. Auch dort halten Kirchenvertreter Kontakt zu Parlamenten und Regierungen in Bund und Ländern und versuchen, Politik im Sinne der Kirche mitzugestalten. Deutsche Vertreter prägten Struktur und Inhalte der COMECE entscheidend mit. Von den bislang sechs Vorsitzenden kamen drei aus Deutschland: Gründungspräsident war der Bischof von Essen, Franz Hengsbach (1982-1984). Auf ihn folgten Bischof Josef Homeyer von Hildesheim (1993-2006) und seit 2012 Marx. Ihre Arbeitsthemen reichen von Religion und Staat über die Rolle der EU in der Welt (mit Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik, Handel) bis zu Gesellschaftsfragen (soziale Probleme, Forschung und Bioethik, Bildung und Jugend, Förderung von Demokratie). Eine wichtige Rolle spielen auch die Themen Recht, Frieden und Gerechtigkeit, etwa in den Bereichen Menschenrechte, Asyl und Justiz. (KNA)

Die Vorsitzenden von COMECE

Der Erzbischof von München und Freising, Kardinal Reinhard Marx (61), ist der sechste Vorsitzende in der über 30-jährigen Geschichte der EU-Bischofskommission COMECE. Die Liste umfasst: Franz Hengsbach, Bischof von Essen (1982-1984)Jean Hengen, Erzbischof von Luxemburg (1984-1990)Charles Amarin Brand, Erzbischof von Straßburg (1990-1993)Josef Homeyer, Bischof von Hildesheim (1993-2006)Adrianus Herman van Luyn SDB, Bischof von Rotterdam (2006-2012)Kardinal Reinhard Marx, Erzbischof von München und Freising (seit 2012)