Liturgie-Rebellen nach Wahl optimistisch

Hoffnung auf Befriedung des Liturgiestreits durch neuen Großerzbischof

Veröffentlicht am 12.01.2024 um 13:21 Uhr – Lesedauer: 

Kochi ‐ Kann ein Wechsel an der Spitze der Syro-Malabaren den verfahrenen Liturgiestreit schlichten? Nach der Wahl von Raphael Thattil zeigen sich die Gegner der Liturgiereform optimistisch und hoffen auf Dialog – ohne selbst von ihrer Position abzuzurücken.

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Die Gegner der syro-malabarischen Liturgiereform in Indien hoffen auf eine Befriedung im Liturgiestreit durch den neuen Großerzbischof Raphael Thattil. In einer ersten Reaktion betonte der "Erzdiözesane Impuls für Transparenz" (AMT), eine Organisation von Laien und Klerikern der Großerzdiözese Ernakulam-Angamaly, gegenüber dem Online-Magazin "UCA News" am Donnerstag, dass sie keine Kompromisse bei ihren Forderungen machen würden. "Wir wollen ein neues Kapitel der Zusammenarbeit aufschlagen”, sagte AMT-Sprecher Riju Kanjookaran. Der am Dienstag gewählte neue Großerzbischof sei als bodenständig bekannt. Auch das "Erzdiözesane Schutz-Komitee" (APC) reagierte ähnlich und würdigte Thattil als einen dem Volk zugewandten Mann. Die Zusammenarbeit mit ihm hänge aber davon ab, wie er die Probleme im Großerzbistum lösen werde. Thattil selbst hatte nach seiner Wahl versicht, dass es ihm vor allem um Einheit in seiner Kirche gehe: "Meine neue Aufgabe ist, mit euch zusammenzuarbeiten."

Beobachter ordnen Thattil, der bisher der Diözese für die Syro-Malabaren außerhalb des angestammten Gebiets in Südindien vorstand, als dialogorientierten Kompromisskandidaten ein. "Er ist ein Bischof, der immer freundlich zu Priestern und Menschen ist. Als solcher ist er ein Mensch, der an den gegenseitigen Dialog glaubt", sagte APC-Sprecher Jose Vailikodath gegenüber dem Online-Magazin "Crux". Ein Mitglied des Priesterrats, der zu den Gegnern der Liturgiereform gehört, hofft gegenüber Crux auf eine Lösung: "Er ist kein Fanatiker, was Traditionalismus angeht." Die Gegner der von der Bischofssynode beschossenen einheitlichen Liturgie sehen ihre Position als logische Konsequenz aus den liturgischen Erneuerungsbewegungen des Zweiten Vatikanums, während das Messformular der Synode vorsieht, die Liturgie wieder stärker an den ursprünglichen ostsyrischen Ritus der syro-malabarischen Kirche anzunähern.

Bischofssynode tagt noch bis Samstag

Raphal Thattil wurde am Dienstag von der Synode der syro-malabarischen Kirche zum Großerzbischof und damit obersten Vorsteher der katholischen Ostkirche gewählt. Am selben Tag bestätigte Papst Franziskus die Wahl des bisherigen Bischofs von Shamshabad, am Donnerstag wurde Thattil feierlich ins Amt eingeführt. Die Leitung der Kirche war seit der Annahme des Rücktritts des bisherigen Großerzbischofs, Kardinal George Alencherry, Anfang September vakant. Das Erzbistum Ernakulam-Angamaly, der Sitz der syro-malabarischen Kirche, wird weiterhin von dem im August durch den Papst bestellten Apostolischen Administrator Bosco Puthur geleitet. Die seit Montag tagende Bischofssynode dauert noch bis Samstag.

Thattil übernimmt eine Kirche, die von einem heftigen Streit um die Liturgie gezeichnet ist. Die Annahme der Rücktritte Alencherrys und des Apostolischen Administrators des Großerzbistums Ernakulam-Angamaly wurden von einer Videobotschaft an die Gläubigen verbunden, in der der Papst ein Ende der Proteste gegen eine einheitliche Form der Liturgie einschärfte. Nachdem die Synode 2021 eine Form der Eucharistiefeier eingeführt hatte, die einen Mittelweg zwischen einer Orientierung am westlichen Ritus und dem angestammten ostsyrischen Ritus darstellte, kam es vor allem im Großerzbistum selbst zu massiven Protesten. Priester und Gläubige wollten an der latinisierten Form des Ritus festhalten, bei dem der Priester durchweg zum Volk hin zelebriert. Die einheitliche Form sieht dagegen vor, dass die eigentliche Eucharistiefeier ad orientem, also mit Rücken zum Volk, zelebriert wird, und der Priester sich vorher und nachher dem Volk zuwendet.

Die syro-malabarische Kirche im Südwesten Indiens ist die größte der heutigen Kirchen und Gemeinschaften der Thomaschristen, die im 1. Jahrhundert durch den Apostel Thomas auf seinen Missionsreisen gegründet worden sein soll. Durch Verbindungen zur Assyrischen Kirche des Ostens feiert sie ihre Liturgie im ostsyrischen Ritus. Im Zuge der portugiesischen Kolonialisierung wurden die Thomaschristen zur Übernahme westlicher Formen und Hierarchien gezwungen und zerbrachen in mehrere Kirchen. Die Hierarchie der heutigen syro-malabarischen Kirche wurde erst 1923 errichtet. Sie ist nach der griechisch-katholischen Kirche der Ukraine mit über 4 Millionen MItgliedern die zweitgrößte mit dem Papst in Gemeinschaft stehende Ostkirche. (fxn)