Stephan Burger ist seit einem Jahr Erzbischof von Freiburg

"Ich spüre Rückenwind"

Veröffentlicht am 30.05.2015 um 00:01 Uhr – Von Volker Hasenauer (KNA) – Lesedauer: 
Bild: © KNA
Erzbistum Freiburg

Freiburg ‐ Vor genau einem Jahr wurde Stephan Burger zum Erzbischof von Freiburg ernannt. Und noch immer sei diese wichtige Aufgabe für ihn ungewohnt, sagt er über die vergangenen zwölf Monate. Im Interview spricht der Kirchenrechtler außerdem über die Rolle der Kirche in der Gesellschaft und die Lehren des Limburger Finanzskandals.

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Frage: Herr Erzbischof, Sie sind seit zwölf Monaten im Amt - wie hat Sie persönlich dieses Jahr geprägt oder verändert?

Burger: Welche große Herausforderung es bedeutet, Erzbischof zu sein, wurde rasch spürbar: Die Termindichte ist sehr hoch. Und ich muss mich immer noch daran gewöhnen, fast jeden Tag in der Öffentlichkeit zu stehen. Manche sprechen mich an, wenn ich in der Stadt unterwegs bin. Aber gerade die vielfältigen persönlichen Begegnungen - etwa auch bei meinen Besuchen in den Gemeinden vor Ort - machen mir viel Freude und sind sehr bereichernd.

Frage: Mussten Sie schon unbequeme Entscheidungen treffen? Wie gehen Sie mit Gegenwind um?

Burger: Da ich kein Mensch bin, der ständig Konflikte suchen muss oder gerne polternd daherkommt, spüre ich eher Rückenwind. Zudem wird mir, glaube ich, noch ein gewisser Anfangsbonus gewährt. Deshalb bin ich froh, dass viele erst einmal in Ruhe schauen, wie ich die Dinge anpacke.

„Wir müssen als Kirche noch transparenter machen, wie wir mit den Geldern umgehen, die uns für unsere vielfältigen Tätigkeiten anvertraut sind.“

—  Zitat: Erzbischof Stephan Burger

Frage: Welche Lehre haben Sie aus dem Finanzskandal um Bischof Tebartz-van Elst und den millionenteuren Bau des Limburger Bischofshauses gezogen? Gelingt es Kirche nun, Vertrauen zurückzugewinnen?

Burger: Wir müssen als Kirche noch transparenter machen, wie wir mit den Geldern umgehen, die uns für unsere vielfältigen Tätigkeiten anvertraut sind. Nur so können wir dokumentieren, dass wir gut haushalten. Dazu gehört zum Beispiel auch, langfristig für die Altersversorgung unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vorzusorgen. Wichtig ist auch, deutlich zu machen, dass nicht ich als Bischof hinter verschlossenen Türen über Gelder entscheide, sondern dass wir ein Kirchensteuerparlament haben. Zudem habe ich einen Finanzexperten als Diözesanökonomen. So hoffe ich, dass es uns wieder gelingt, Vertrauen zurückzugewinnen.

Frage: Papst Franziskus fordert eine arme Kirche und geißelt den Kapitalismus mit dem Schlagwort: "Diese Wirtschaft tötet!" Gehen wir verantwortungslos mit den natürlichen Ressourcen um, auf Kosten anderer im ärmeren Staaten?

Burger: Im entfesselten Kapitalismus spielt der einzelne Mensch keine Rolle mehr - darauf zielt der Satz von Papst Franziskus. Zum Glück ist die Situation in Deutschland eine andere. In der sozialen Marktwirtschaft kommen wir auch der Verantwortung für die Schwachen nach. Diese Errungenschaften müssen wir unbedingt verteidigen. Gleichzeitig weiß ich, beispielsweise durch meine Reise nach Peru im März, wie dort Bergbau-Großkonzerne ohne Rücksicht auf Natur und die Bevölkerung vor Ort enorme Gewinne scheffeln. In solchen Situationen steht die Kirche in der Pflicht, gegen Ausbeutung aktiv zu werden und sich sozialpolitisch zu Wort zu melden.

Frage: Gehört dazu auch, sich an der Flüchtlingsdebatte zu beteiligen? Haben Deutschland und Europa die richtigen Lehren aus dem Ertrinken von Hunderten Menschen im Mittelmeer gezogen?

Burger: Deutschland alleine ist hier überfordert - die EU steht als Gemeinschaft in der Pflicht. Und da würde ich mir deutlich mehr Offenheit für Flüchtlinge wünschen. Wichtig ist auch, die Lage in den Herkunftsländern nachhaltig zu verbessern. Und entsprechenden Druck auf die dortigen Regierungen auszuüben. Auch unsere Hilfswerke leisten hier wichtige Arbeit.

„Aus dem Glauben heraus ist Leben für mich ein unverfügbares Geschenk. Deshalb steht die katholische Kirche klar gegen jede Form der Suizidbeihilfe.“

—  Zitat: Erzbischof Stephan Burger

Frage: Vielerorts werden die bereits angekommenen Flüchtlinge von kirchlichen Arbeitskreisen unterstützt. Ein Zukunftsmodell?

Burger: Zunächst einmal bin ich sehr froh über dieses starke Engagement vieler Christen und Gemeinden. Flüchtlingen wird beim Ankommen in Deutschland vor Ort geholfen. Und gleichzeitig wird Kirche hier einmal ganz anders als gewohnt und mit einer neuen Dynamik erfahrbar - gerade auch für Leute, die normalerweise nicht regelmäßig in unsere Gottesdienste kommen.

Frage: Im Herbst wird der Bundestag über ein neues Gesetz zur Suizidbeihilfe beraten. Wie bewerten Sie die Debatte?

Burger: Die aktuellen Debatten um eine gesetzliche Regelung der Suizidbeihilfe gilt es aufmerksam zu verfolgen. Aus dem Glauben heraus ist Leben für mich ein unverfügbares Geschenk. Deshalb steht die katholische Kirche klar gegen jede Form der Suizidbeihilfe - wenn kommerzielle Organisationen ins Spiel kommen sowieso. Wir setzen stattdessen auf einen weiteren Ausbau der palliativmedizinischen Versorgung in Stadt und Land sowie der Hospiz-Arbeit. Daher wird die Kirche einen geplanten Gesetzesentwurf sehr kritisch anschauen.

Stichwort: Erzbistum Freiburg

Das Erzbistum Freiburg ist mit knapp zwei Millionen Katholiken nach Köln das zweitgrößte der 27 Bistümer in Deutschland. Es entstand 1827 als Folge der politischen Umbrüche nach der Französischen Revolution. Zu wesentlichen Teilen ging die Diözese aus dem im sechsten Jahrhundert gegründeten, aber im 19. Jahrhundert aufgelösten Bistum Konstanz hervor. Das Erzbistum erstreckt sich über eine Fläche von 16.300 Quadratkilometern. Dazu gehören Schwarzwald, Bodensee und Hochrhein, Oberrheinische Tiefebene, Odenwald und Taubertal. Im Bistum arbeiten derzeit knapp 1.000 Priester in 325 Seelsorgeeinheiten. Für die Seelsorge sind zudem mehrere Hundert Diakone, Pastoral- und Gemeindeassistenten sowie ehrenamtlich Engagierte verantwortlich. Der vor allem aus Kirchensteuern getragene Jahresetat betrug zuletzt rund 500 Millionen Euro. Das Bistum ist Träger von etwa 1.000 Kindergärten und Kitas. Zudem sind Pflegedienste, Krankenhäuser und Alteneinrichtungen in kirchlicher Trägerschaft. Zur Schulstiftung gehören 28 Schulen mit 12.000 Jungen und Mädchen. (KNA)
Von Volker Hasenauer (KNA)