Papst Pius XII.

Der Umstrittene

Veröffentlicht am 22.11.2012 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Eugenio Pacelli,
Bild: © KNA
Papsttum

Bonn ‐ Zwanzig Jahre lang hat Papst Pius XII. in dramatischer Zeit die katholische Weltkirche geleitet: Ein Spitzendiplomat und Kirchenpolitiker, der am Vorabend des Zweiten Weltkriegs sein Amt antrat.

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Gleichzeitig stand seine Amtszeit freilich am Ausgang einer Epoche stand, in der sich die Kirche noch als geschlossene Burg verstand. Pius XII. verhalf dem Papsttum zu weltweiter Achtung, wurde bald nach seinem Tod aber wegen seines angeblichen Schweigens zur Judenverfolgung attackiert.

Wahl kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs

"Der Friede ist das Werk der Gerechtigkeit", lautete der Wahlspruch des aus einer römischen Juristenfamilie stammenden Eugenio Pacelli, der am 2. März 1939, an seinem 63. Geburtstag, an die Spitze der katholischen Kirche gewählt wurde. Wenige Monate vor dem Ausbruch des Weltkrieges schien der politisch versierte Kardinal-Staatssekretär mit langjähriger Erfahrung als Nuntius in Deutschland der geeignete Kandidat für das Papstamt.

"Nichts ist verloren durch den Frieden, alles kann verloren werden durch den Krieg", lautete der eindringliche Appell des neuen Papstes in einer Rundfunkbotschaft am 24. August 1939. Aber als das Kirchenoberhaupt dann seine Antrittsenzyklika veröffentlichte, hatte der Zweite Weltkrieg bereits begonnen. Dem Papst und der vatikanischen Diplomatie blieb nur die Mahnung zum Frieden. Er leistete humanitäre Hilfe, wo immer möglich, hielt sich jedoch gemäß den erst kurz zuvor mit Mussolini geschlossenen Lateran-Verträgen aus der Politik heraus.

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Video: © Angelika Bade

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Ein Foto geht um die Welt

Neutralität, mehr noch Überparteilichkeit war die Linie des Papstes. Das ermöglichte es ihm, den Vatikanstaat wie Rom weitgehend aus dem Kriegsgeschehen herauszuhalten. Eine Ausnahme bildeten die Bomben auf das San-Lorenzo-Viertel: Das Foto von Pius XII., der in die Trümmerzone eilte und in seinem weißen Mantel mit großer Geste beschwörend die Arme zum Himmel erhob, ging um die Welt.

Auf die von Rolf Hochhuth in dem Bühnenstück "Der Stellvertreter" ausgelöste Diskussion um das "Schweigen" Pius XII. reagierte die Kirche mit einer Vorab-Öffnung seiner Archive über die Zeit von Faschismus und Zweitem Weltkrieg. Sie zeigten, dass der Heilige Stuhl vielen Juden half. In Italien gelang es, die Rassengesetzgebung zu mildern und Deportationen zu verhindern; die Razzia vom 16.10.1943 im römischen Ghetto wurde auf Initiative des Papstes bald eingestellt. Viele Juden überlebten dank kirchlicher Hilfe, versteckt in Klöstern, in kirchlichen Häusern, aber auch im Vatikan selbst.

Ökumene war nicht sein Thema

Trotz der politischen Wirren setzte der Pacelli-Papst mit zahlreichen Lehrschreiben viele neue kirchlichen Akzente. 1943 erschien sein großes Kirchendokument "Mystici corporis". Weiter öffnete Pius XII. der Bibelwissenschaft neue Forschungswege und verfügte eine grundlegende Reform der Osternachtsliturgie. In seiner Enzyklika "Humani generis" warnte er den notwendigen theologischen Fortschritt vor zu starker Anpassung an die Zeit.

Wenig Zugang hatte der Pacelli-Papst zur neuen ökumenischen Bewegung. Dagegen kamen in seinen Audienzreden viele gesellschaftliche Themen zur Sprache wie Menschenwürde, Ehe und Familie, Massenmedien. Höhepunkt seines Pontifikats bildete das Heilige Jahr 1950. Pius XII., der am 9. Oktober 1958 in Castel Gandolfo starb, stand am Ende einer Kirchenepoche. Er dachte bereits an ein Konzil. Aber erst sein Nachfolger Johannes XXIII. (1958-1963) berief das Gipfeltreffen ein, das die Kirche zur Welt und fürs dritte Jahrtausend öffnete.

Von Johannes Schidelko