Kirchenrechtler zu neuer Gesetzgebungsordnung im Bistum Limburg

Bischöfliche Autorität durch Beteiligung auf breitere Beine stellen

Veröffentlicht am 03.05.2025 um 00:01 Uhr – Von Felix Neumann – Lesedauer: 

Limburg ‐ Im Bistum Limburg wird die kirchliche Gesetzgebung nun nach einem klar geregelten Verfahren ablaufen. Der Limburger Kirchenrechtler Peter Platen erklärt im Interview, was das für das Bistum bedeutet – und wie Teilhabe die Autorität des Bischofs stärkt.

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Ein kirchliches Gesetz tritt ins Dasein, indem der Bischof es amtlich veröffentlicht – mehr hat das Kirchenrecht nicht über den Gesetzgebungsprozess zu sagen. Die Entstehung von Kirchenrecht lief daher bisher oft in den Hinterzimmern der bischöflichen Verwaltung ab. In Limburg soll das jetzt anders werden: Bischof Georg Bätzing hat eine "Ordnung für das Gesetzgebungsverfahren" in Kraft gesetzt, mit der ein transparentes, partizipatives und rechtssicheres Verfahren an die Stelle von Hinterzimmern treten soll. Einer der Architekten der neuen Ordnung ist der Kirchenrechtler Peter Platen, einer der beiden Leiter des Stabsbereichs "Aufsicht und Recht" im bischöflichen Ordinariat Limburg. Im Interview mit katholisch.de erläutert er, was sich das Bistum davon erhofft.

Frage: Professor Platen, warum gibt es jetzt im Bistum Limburg ein Initiativ- und Beratungsrecht für bischöfliche Gesetze?

Platen: Nach der MHG-Missbrauchsstudie haben wir hier im Bistum mit dem Projekt "Betroffene hören – Missbrauch verhindern" verschiedene Maßnahmen entwickelt. Einen ausdrücklichen Auftrag, die kirchlichen Gesetzgebungsprozesse zu verändern, gab es zwar nicht, doch im Abschlussbericht findet sich die Empfehlung, das Verfahren für die Entstehung von Gesetzen so zu regeln, dass über Transparenz und geregelte Kooperation Möglichkeiten zur Kontrolle der Machtausübung des Gesetzgebers, die Verpflichtung zur interdisziplinären Zusammenarbeit sowie partizipative Elemente verpflichtend festgeschrieben werden. Auf Ebene der Deutschen Bischofskonferenz gibt es seit kurzem für den Bereich des kirchlichen Arbeitsrechts eine Ordnung, wie dort die Beratung von Vorhaben abläuft. Diese "Ordnung über das Zustandekommen von arbeitsrechtlichen Regelungen" war dann formal die Grundidee der Limburger Ordnung, an der wir uns orientiert haben. Die neue Ordnung hat damit mehrere Quellen: Die Erkenntnis im Nachgang der MHG-Studie, dass es Transparenz im Umgang mit kirchlichem Recht braucht, das Vorbild, das es schon auf Ebene der Bischofskonferenz gibt, und praktische Erfahrungen in der Vorbereitung und Unterstützung der diözesanbischöflichen Gesetzgebung.

Frage: Wie entstanden bischöfliche Gesetze bisher? Das war wahrscheinlich auch keine Ein-Mann-Veranstaltung des Bischofs als Gesetzgeber.

Platen: Die diözesane Gesetzgebung liegt in den Händen des Diözesanbischofs. Aber er war auch bisher nicht der einzige Akteur. Nur war nicht geregelt, welche Abläufe und Prozesse hin auf den Gesetzgebungsakt des Bischofs zu beachten sind. Es fehlte also ein strukturiertes Vorgehen, ein Prozess. Auch ist es wiederholt zu Situationen gekommen, in denen man vergleichsweise spät festgestellt hat, dass wichtige Aspekte nicht berücksichtigt waren oder relevante Stakeholder noch nicht eingebunden waren. Vorschläge für neue Regelungen tauchten in Gremien auf, weil ein Bedarf erkannt wurde, oder es gab Gründe, bestehende Regelungen zu überarbeiten – aber es gab keinen strukturierten Prozess, wie man damit umgeht und wer alles in welcher Weise zu beteiligen ist.

Frage: Am Ende ist der Bischof aber auch jetzt noch alleiniger Gesetzgeber.

Platen: Das ist eine Vorgabe des Kirchenrechts, und das kann der Bischof auch nicht delegieren. Daran ändert die Gesetzgebungsordnung nichts.

Frage: Besteht dann nicht die Gefahr, dass der Bischof am Ende nein sagt, das Verfahren ins Leere läuft und alle unzufrieden sind?

Platen: Das ist sehr unwahrscheinlich. Gesetze werden sehr früh im Ablauf im Bistumsteam mit dem Bischof diskutiert. Jeder Beschluss des Bistumsteams braucht die Zustimmung des Bischofs. Es kann also strukturell nicht passieren, dass eine Vielzahl Beteiligter am Bischof vorbei diskutiert und er ein Gesetz, das er für unnötig oder unvertretbar hält – etwa, weil es gar nicht in seine Gesetzgebungskompetenz fällt – auf den Schreibtisch bekommt.

Porträtfoto von Peter Platen
Bild: © F. Schuld/Bistum Limburg (Montage katholisch.de) (Archivbild)

Peter Platen ist habilitierter Kirchenrechtler und promovierter Theologe und leitet den Stabsbereich Aufsicht und Recht des Bischöflichen Ordinariates Limburg. Seit 2011 ist er außerplanmäßiger Professor für Kirchenrecht an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster.

Frage: An der Qualität bischöflicher Gesetzgebung gibt es in der Kanonistik immer wieder Kritik. Erwarten Sie von dem neuen Verfahren auch eine bessere Gesetzgebung, und nicht nur eine mit mehr Beteiligung? Oder verderben hier viele Köche den Brei?

Platen: Der große Vorteil dieses Prozesses ist, alle relevanten Interessen möglichst früh einzubeziehen. Das sorgt hoffentlich dafür, dass wichtige Aspekte nicht erst auf der Zielgerade mit heißer Nadel eingearbeitet werden, so dass am Ende Recht aus einem Guss in hoher Qualität entsteht. Außerdem kann auf diese Weise der Gesetzgeber möglichst früh eine Einschätzung dazu erhalten, zu welchen Resonanzen eine Verfügung führen wird, so dass auch hier eine möglichst informierte Entscheidung getroffen werden kann.

Frage: Das vorgesehene Anhörungsverfahren baut darauf auf, dass die für ein Vorhaben relevanten Interessensgruppen in eine Ad-hoc-Arbeitsgruppe berufen werden. Eine Beteiligung der Öffentlichkeit gibt es aber nicht. Warum setzt man hier nicht gleich ganz auf Transparenz?

Platen: Der Diözesansynodalrat ist immer beteiligt, und der tagt grundsätzlich mit einem öffentlichen und einem nicht-öffentlichen Teil. Hier gibt es also durchaus Transparenz nach außen im laufenden Verfahren. Sowohl über Sitzungen des Synodalrats wie des Bistumsteams wird berichtet. Außerdem sind die Mitglieder der Gremien ja bekannt und von daher auch ansprechbar, wenn man noch etwas einbringen möchte.

Frage: Sind die Gesetzentwürfe geheim? Oder dürften die beteiligten Gremien und Interessensgruppen Entwürfe auch veröffentlichen, um ihre Rückmeldung auf eine breitere Basis stützen zu können?

Platen: Der Vorstand des Diözesansynodalrats entscheidet, ob ein Beratungsgegenstand öffentlich ist. Es wäre also durchaus möglich, dass er noch zu einer breiteren Beteiligung aufruft, denkbar wäre etwa die Einrichtung eines thematischen Forums mit öffentlichen Anhörungen.

Frage: Aber warum legt man nicht gleich in der Ordnung fest, dass Gesetzentwürfe öffentlich sind? Schließlich sind die einzelnen Gläubigen auch persönlich kirchlichen Gesetzen unterworfen?

Platen: Das ist eine Perspektive, die wir für die Weiterentwicklung im Blick behalten. Es ist geplant, die Ordnung nach drei Jahren zu überprüfen.

Bischof Georg Bätzing (l.), Vorsitzender der DBK, und Irme Stetter-Karp (2.v.l.), Präsidentin des ZdK, bei der zweiten Sitzung des Synodalen Ausschusses
Bild: ©KNA/Angelika Zinzow (Archivbild)

Als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz war der Limburger Bischof Georg Bätzing Teil des Präsidiums des Synodalen Wegs. Mit Macht und Gewaltenteilung hat sich der Reformdialog auseinandergesetzt – synodale kirchliche Gesetzgebung stand aber nicht unmittelbar auf seiner Agenda.

Frage: Viele bischöfliche Gesetze entstehen als Muster und Rahmen auf Ebene der Bischofskonferenz. Wie viel Spielraum besteht da überhaupt für ein diözesanes Beteiligungsverfahren?

Platen: Bei diesen Normen geht es um Themen, die nicht in die Zuständigkeit der Bischofskonferenz als Gesetzgeber fallen. Jeder einzelne Bischof muss sie am Ende für sein Bistum in Kraft setzen. Da ist schon jetzt eine gute Abstimmung nötig, damit jeder Diözesanbischof für sein Bistum mitgehen kann, dass also die gewünschte Einheitlichkeit erreicht wird. Für solche Vorhaben sieht unsere Ordnung ein beschleunigtes Verfahren vor, mit dem durchaus noch Aspekte auf Ebene der Bischofskonferenz eingebracht werden können, die dort noch nicht bedacht wurden. Ich bin guter Dinge, dass solche Vorschläge dann auch noch in die Beratungen in der Bischofskonferenz einfließen können.

Frage: Ist das mit den bisherigen Gepflogenheiten bei der Entstehung solcher Muster möglich, oder muss die Bischofskonferenz ihre zeitlichen Abläufe anpassen?

Platen: Das gehört auch zu den Fragen, die wir in der Erprobung der Ordnung klären wollen, vor allem aber Erfahrungen sammeln werden und mögliche Änderungsbedarfe identifizieren.

Frage: Abseits des Arbeitsrechts sind die beiden großen Gesetzgebungsverfahren auf Ebene der DBK die Reform des Datenschutz- und des Archivrechts. Beide Reformen haben schon begonnen und sind unterschiedlich weit fortgeschritten. Kann das Limburger Verfahren da noch im laufenden Betrieb angewandt werden?

Platen: Bevor es hier in Limburg losgehen kann, muss noch der für das Verfahren zentrale "Ständige Ausschuss" eingerichtet werden. Ich rechne damit, dass wir das im Laufe des ersten Halbjahres schaffen. Dann wird sich zeigen, welche aktuellen Gesetzgebungsprojekte auf DBK-Ebene noch begleitet werden können.

Frage: Ihr Ausgangspunkt waren die praktischen Konsequenzen aus der MHG-Studie, auch wenn dort die Gesetzgebung nicht ausführlich thematisiert wurde. Ähnlich war es beim Synodalen Weg, der sich viel mit Macht und Gewaltenteilung befasst hat, aber auch keine Handlungsempfehlungen zur Gesetzgebung beschlossen hat. Wie erklären Sie sich das, dass Kirchenrecht und kirchliche Gesetzgebung nur Randaspekte in Reformprozessen sind, obwohl die Kirche durch Recht strukturiert und geordnet wird?

Platen: Möglicherweise liegt das daran, dass das Thema als solches eher formaler Natur ist und vielleicht etwas "sperriger" daherkommt. Auch bei unseren Beratungen in den diözesanen Gremien wurde dem Thema keine zentrale Bedeutung zugesprochen. Die Perspektive, Recht als ein Gebiet zu betrachten, wo es um den Umgang mit Macht und Leitungsautorität geht, ist aber plausibel. Auch, wenn wir eher formale Aspekte im Blick hatten, ist die Strukturierung von kirchlichen Gesetzgebungsprozessen ein Mittel, wie die Ausübung von Leitung auf breitere Beine gestellt werden kann. Der Bischof gibt dabei nichts ab – er bleibt ja alleiniger Gesetzgeber. Er übt dieses Amt aber synodaler aus: Er bindet relevante Akteure möglichst frühzeitig ein, so dass hoffentlich am Ende bessere Gesetze stehen, die auf größere Akzeptanz und Annahme stoßen, womit der wichtige Aspekt der Rezeption kirchlicher Gesetze angesprochen ist. Das wäre ein Gewinn, der am Ende die bischöfliche Autorität sogar stärkt.

Von Felix Neumann

Im Volltext: Ordnung für das Normsetzungsverfahren (Gesetzgebungsverfahren) im Bistum Limburg

Die Ordnung für das Gesetzgebungsverfahren wurde im April-Amtsblatt des Bistums Limbug in Kraft gesetzt. Sie soll "ein transparentes, partizipatives und rechtssicheres Verfahren für das Zustandekommen kirchlicher Normtexte im Rahmen der bestehenden Rechtsordnungen im Bereich des Bistums Limburg" erreichen.