Mein Patenonkel, der Papst: Mildred Camacho erzählt von Leo XIV.

"Wenn du an einem Tag einen schlechten Moment hast, darfst du nicht zulassen, dass er dir den ganzen Tag verdirbt." Diese Worte hörte Mildred Camacho schon als junges Mädchen. Gesagt hat sie ihr Patenonkel – Papst Leo XIV., damals noch Augustinerpater Robert Francis Prevost. Für die 29-jährige Mutter zweier Töchter ist es ein Rat, der sie bis heute trägt und zugleich eine Erinnerung an ihre enge Verbindung zu einem Mann, der einst in ihrer Heimatstadt Chulucanas wirkte und heute Oberhaupt von 1,4 Milliarden Katholiken weltweit ist, wie sie im Gespräch mit katholisch.de erzählt.
Chulucanas ist eine Stadt im Norden Perus, die eng mit dem Leben des heutigen Papstes Leo XIV. verbunden ist. Er wirkte dort als Augustiner-Missionar und hat eine tiefe Verbindung zu Peru und den Peruanern aufgebaut. Diese machte er vor allem 2015 durch die Einbürgerung offiziell. Die Verbindung zur lokalen Bevölkerung zeigte sich besonders an der Familie Camacho und begann schon lange vor Mildreds Geburt. Mildreds Vater, Héctor Camacho, hatte in seiner Jugend als Messdiener in der Kathedrale von Chulucanas gedient. Damals war Pater Prevost gerade nach Peru gekommen. Später begegneten sie sich erneut, als Héctor in Trujillo studierte, der wichtigsten Stadt im Norden Perus. Prevost stand ihm damals geistlich bei und ermutigte ihn, sich in humanitären Projekten zu engagieren. Noch später, kurz vor der Geburt seiner Tochter Mildred, bat Héctor ihn, ihr Taufpate zu werden. Prevost willigte ein. Die Taufe fand in der Pfarrei des Heiligen Josef in Chulucanas statt und war ein Ereignis, das Mildreds Leben prägte, auch wenn sie selbst nicht so viele Erinnerungen an die Begegnungen mit ihm hat.
Ihre erste Begegnung
"Meine erste Erinnerung an ihn ist eine E-Mail mit einem angehängten Foto aus dem Vatikan – mit Johannes Paul II. und einer Gruppe weiterer Augustiner. Als ich ihn persönlich traf, da war ich sechs oder vielleicht acht Jahre alt und er kehrte nach Chulucanas zurück", erzählt Mildred. Besonders lebendig sei ihr eine Situation im Gedächtnis geblieben, als ihr Vater sie plötzlich mit den Worten weckte: "Komm, dein Pate ist in Chulucanas." Bei einem Treffen mit Geistlichen erkannte sie ihn sofort wieder, schließlich hatte sie ihn schon zuvor auf zahlreichen Fotos gesehen, vor allem aber jenen Fotos ihrer Taufe. Ein besonderer Moment, so Mildred.
Das vorerst letzte Mal begegneten sich die beiden am 10. August 2024, dem 60. Jahrestag der Diözese Chulucanas, zugleich Mildreds Geburtstag. Sie erinnert sich an eine kurze Begegnung vor und nach dem Festgottesdienst, da ihr inzwischen zum Kardinal aufgestiegener Pate schnell wieder nach Rom zurückkehren musste: "Was für eine Freude, meinen Geburtstag mit seinem Segen zu beginnen, seine Messe mitzufeiern und ihn als Kardinal zu sehen. Das war mein schönstes Geschenk. An diesem Tag stellte ich ihm auch meine Töchter vor."
Robert Prevost, heute Leo XIV., bei der Taufe von Mildred Camacho.
Die Nachricht von seiner Wahl zum Oberhaupt der katholischen Kirche erlebte Mildred in einem sehr persönlichen Moment: "Ich war allein zu Hause, mitten im Umzugsprozess, und hatte nur mein Handy, um die Live-Übertragung zu verfolgen", erinnert sie sich. "Als ich 'Kardinal Robert Francis" hörte, musste ich den Nachnamen gar nicht erst abwarten, denn ich wusste sofort, dass das die Namen meines Paten sind."
Sie schrie auf, rief ihren Vater an, um ihm die frohe Botschaft zu erzählen, und für einen Moment dachte sie, sie könnte sich geirrt haben. "Doch als ich die Übertragung erneut einschaltete und den Nachnamen 'Prevost" hörte, konnte ich nur noch vor Freude weinen." Das tat sie auch, wie sie sich erinnert: "Mein Patenonkel ist jetzt Papst!" Die Erinnerungen kamen wieder hoch, gemischt mit Stolz und Freude, dass er es geschafft hat.
Viele Verpflichtungen
Leider, so Mildred, habe ihr Patenonkel aufgrund seiner vielen Verpflichtungen selten an ihren Geburtstagen in Chulucanas teilnehmen können. Nicht aber am 11. August 2024: "Er war ständig auf Reisen, aber an an dem Tag war Gott mir wohlgesonnen, und wir trafen uns." Heute, sagt sie, stehen sie nicht mehr in direktem Kontakt – schließlich ist er der Papst und hat weitaus mehr Aufgaben als zuvor. Zwar habe sie versucht, mit Hilfe seines Privatsekretärs Edgard Iván Rimaycuna Grüße zu übermitteln, doch eine Antwort habe sie bisher nicht erhalten. Dennoch vertraut sie darauf, dass ihn einer ihrer Grüße erreicht hat. Schließlich habe er sich früher immer Zeit genommen, ihre Familie zu begrüßen, wenn sie an Messen oder Veranstaltungen teilnahm, bei denen er anwesend war.
Trotzdem ist Mildred überzeugt, dass er eines Tages als Papst Leo XIV. nach Peru kommen wird. "Seine Präsenz würde unser Land verändern. Und ich spüre, dass er glücklich wäre, wieder in seiner zweiten Heimat zu sein", so Mildred. Ob es dazu kommt, ist offen. Doch für die 29-jährige Mutter zweier Töchter bleiben die Begegnungen mit ihrem Patenonkel, dem – heutigen – Papst, lebendig in Erinnerung… "Er bat mich immer, ihn in meinen Gebeten zu bedenken und mit Freude zu leben". Das macht sie gemeinsam mit ihren Kindern, und noch etwas anderes: seinem Handeln im Dienst für die anderen nacheifern.