Von Liebeskummer und Suizidgedanken

Der Erzbischof äußerte sich zum Auftakt eines Jubiläumsjahres, mit dem die Telefonseelsorge in Deutschland ihr 60-jähriges Bestehen feiert. Annelie Bracke von der katholischen Telefonseelsorge Köln verwahrte sich dagegen, die Anrufer bei der Telefonseelsorge als krank zu bezeichnen. Es sei "ein urmenschliches Bedürfnis, über Probleme zu sprechen". In Zeiten, in denen zwischenmenschliche Bindungen abnähmen, könne dies aber zum Problem werden, so Gabriele Koye von der evangelischen Telefonseelsorge.
Eine andere Perspektive aufzeigen
Mehr als 45.000 Anrufer aus dem Kölner Raum betreuen die beiden Stellen nach den Angaben jährlich. Die Anliegen reichten von Liebeskummer über Missbrauchserfahrungen bis hin zu Selbsttötungsgedanken. "Es ist unsere Aufgabe, den Menschen im Gespräch eine andere Perspektive aufzuzeigen", so Bracke. Für diesen Dienst seien an beiden Kölner Stellen insgesamt 120 geschulte Ehrenamtliche rund um die Uhr im Einsatz.
Mission spielt nach den Worten der Leiterinnen keine Rolle. "Wir suchen nicht die Lücke im Gespräch und schauen, wo passt hier ein religiöses Thema rein", so Bracke. Allerdings sei die Motivation des Dienstes im Glauben begründet. Die Mitarbeiter hätten ein offenes Ohr, "das allein ist schon urchristlich". Im Gespräch kann es laut Koye auch um den Glauben gehen. "Manchmal kann es hilfreich sein, die eigene Glaubensbiografie zu durchforsten und zu prüfen, ob der Glaube nicht eine kraftgebende Ressource sein kann." (KNA)
Linktipp: "Zwischen den Zeilen hören"
Im Interview spricht die Leiterin der Kölner Telefonseelsorge, Annelie Bracke, über ihre Seelsorgearbeit am Telefon und über die Rolle, die der christliche Glaube bei ihrer Tätigkeit spielt.Daten und Fakten zur Telefonseelsorge
- Bundesweit gibt es 105 Einrichtungen der Telefonseelsorge, die meist von den beiden Kirchen gemeinsam getragen werden. Dort engagieren sich rund 8.500 Ehrenamtliche - darunter 77 Prozent Frauen, die von rund 180 hauptamtlichen Kräften unterstützt werden.
- Pro Jahr erhält die Telefonseelsorge rund 1,9 Millionen Anrufe; die Zahl der Anrufversuche ist um ein Vielfaches höher. 66 Prozent der Anrufer sind Frauen.
- Die höchste Zahl der Anrufe kommt in den Monaten November, Dezember und Januar. Die meisten Anrufer melden sich zwischen 18 und 20 Uhr. Es gibt eine hohe Zahl von Wiederholungsanrufen; viele der Klienten sind "Stammkunden".
- Bei der Altersstruktur kommen die meisten Anrufer mit nahe 25 Prozent aus der Gruppe der 50- bis 59-Jährigen, gefolgt von der Gruppe der 40- bis 49-Jährigen. Fast 65 Prozent der Anrufer werden als alleinstehend eingestuft.
- Bei den Themen (Mehrfachnennungen möglich) steht der Bereich Ängste, Stress, Depression mit 40,5 Prozent deutlich an erster Stelle. Der Bereich Partnerschaft, Elternschaft Schwangerschaft und Betreuung folgt mit rund 30 Prozent. Es schließen sich an: Körperliches Befinden (18,5 Prozent), Alltagsbeziehungen, Nachbarn, Freunde (10,9 Prozent) und Einsamkeit (14,6 Prozent).
- Über 57.000 Anrufe im letzten Bewertungszeitraum wurden zum Thema Suizid geführt, in mehr als 8.000 Anrufen davon wurden Suizid-Absichten geäußert.
- Ratsuchende können sich über die Internetseite www.telefonseelsorge.de auch per Chat und Mail an die Berater wenden. Im Mailbereich wurden zuletzt 6.011 Ratsuchende registriert, im Chat 9.100. (KNA)