Two Twos Liebe zu Dresden

Kurz zuvor lässt er jedoch noch den amerikanischen Konsul kommen, um ihm seinen letzten Willen in die Reiseschreibmaschine zu diktieren: Er, Edward Two Two, will nicht in die amerikanische Heimat zurückkehren, sondern auf dem katholischen Friedhof in Dresden bestattet werden.
So kam die Elbestadt zum einzigen Häuptlingsgrab Deutschlands. Zwar gibt es in Emden ein zweites Indianergrab, jedoch nur das eines "einfachen" Indianers. Two Twos letzte Ruhestätte indes avancierte zu einem wahren Pilgerort für indianische Gruppen und Indianer-Freunde. Anlässlich des 100. Todesjahres findet am heutigen Samstag auf dem Neuen Katholischen Friedhof in Dresden eine Andacht für Two-Two statt - mit indianischer Musik und Zeremonien. Geleitet vom Leipziger Dominikanerpater Bernhard Venzke, der sich seit Jahren in einem Indianistik-Club engagiert und ein wenig die Sprache der Lakota-Sioux spricht.
Rauch in alle vier Himmelsrichtungen
Den schlichten Grabstein ziert ein Segensspruch auf Lakota. Irgendjemand hat eine kleine amerikanische Flagge davor aufgesteckt. "Solche Souvenirs werden regelmäßig abgelegt, manchmal ist es auch eine Zigarre, eine Feder oder ein aus Süßgras geflochtener Zopf", berichtet Christoph Pötzsch, der Kontaktmann zwischen katholischer Kirche und Landespolitik in Sachsen. "Indianergruppen aus ganz Europa kommen hierher, tanzen um die freistehende Grabstelle, blasen ihren Rauch in alle vier Himmelsrichtungen und verschwinden ebenso schnell wieder."
Wald, Felsen, zwei Bäume auf Felsen im Vordergrund, grauverhangener Himmel
Als Hobbyhistoriker ist Pötzsch der Geschichte von Two Two nachgegangen, einer von Ausbeutung und Demütigungen geprägten Vita. Der Sioux kämpfte 1876 mit seinem Stamm in der legendären Schlacht am Little Big Horn im heutigen Montana. Unter der Führung der berühmten Häuptlinge Sitting Bull und Crazy Horse brachten die Indianer dem Kavallerie-Regiment der weißen Siedler eine herbe Niederlage bei. Es war ein Pyrrhussieg, wie sich schnell zeigte. Im Streit um Landansprüche fuhr die Kavallerie alsbald großes Geschütz auf. Viele Indianer flüchteten nach Kanada, viele wurden in Reservate gepfercht, so auch Two Two. Eilfertige katholische Missionare nutzen sogleich die Gelegenheit, in den Reservaten massenweise zu taufen. So bekam Two Two, dessen Name so viel bedeutet wie "ein Mann wie zwei", den Taufnamen Edward.
William Cody alias Buffallo Bill war es schließlich, der mit einer Geschäftsidee Two Two aus dem Reservat holte: Er engagierte junge Indianer für sogenannte Völkerschauen. In "Wild-West-Shows" konnte das weiße Publikum die "exotischen Wilden" bei Kunststückchen zu Pferde bestaunen. Mit solch einer Truppe kam Two Two nach Europa, wo er vom Hamburger Tierparkdirektor Carl Hagenbeck für eine Deutschland-Tournee engagiert wurde. Das Geschäft mit billiger indianischer Folklore boomte. Die Indianer selbst allerdings sahen nur wenig von den Einnahmen.
Umjubelter Empfang im Karl-May-Land
1913 kam die Truppe nach Dresden: Hunderte jubelten den Indianern zu, die Kinder hatten eigens schulfrei. Ein Jahr zuvor war im benachbarten Radebeul Karl May gestorben, und die ganze Region befand sich immer noch im Winnetou-Fieber. "Das muss für Two Two unglaublich bewegend gewesen sein, und so hat er sein Herz an Dresden verloren", erläutert Pötzsch, der damit auch Two Twos letzten Willen erklärt.
Jahrzehnte später kamen amerikanische Angehörige von Two Two nach Dresden zum Grab. In der Familie ist die Aussage des Häuptlings überliefert, Dresden erinnere ihn an seine alte Heimat. Doch rein gar nichts vom Elbflorenz schien auf South Dakota zu passen. Bis sie schließlich einen Abstecher ins Elbsandsteingebirge machten und beim Anblick der Felsplateaus von Königsstein und Co. plötzlich glaubten, die Black Hills zu sehen...
Von Karin Wollschläger (KNA)