Internationales Bischofstreffen im Heiligen Land endet mit Abschlusserklärung

"Ein Skandal, an den wir uns nie gewöhnen dürfen"

Veröffentlicht am 19.01.2017 um 11:30 Uhr – Lesedauer: 
Heiliges Land

Bonn/Jerusalem ‐ Zum Abschluss des Bischofstreffens im Heiligen Land haben die Teilnehmer eine Erklärung veröffentlicht. Darin sprechen sie sich unter anderem für eine Zwei-Staaten-Lösung in Israel und Palästina aus.

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Der Trierer Bischof Stephan Ackermann hat als Vertreter der Deutschen Bischofskonferenz zum Einsatz für die Realisierung einer Zwei-Staaten-Lösung für Israel und Palästina aufgerufen. Anlässlich des 17. Internationalen Bischofstreffens zur Solidarität mit den Christen im Heiligen Land, das an diesem Donnerstag zu Ende geht, betonte Ackermann die Berufung der Christen, sich für Frieden und Gerechtigkeit im Nahen Osten einzusetzen. "Ich erlebe unter den Palästinensern im Heiligen Land weit verbreitet Lethargie und Hoffnungslosigkeit, weil auch nach Jahrzehnten noch keine stabile Friedensregelung gefunden wurde. Dieser Zustand ist unhaltbar. Er kann jederzeit wieder in unkontrollierbare Gewalt umschlagen", so der Bischof.

Schwerpunkt des Bischofstreffens, an dem seit Samstag Vertreter von zwölf Bischofskonferenzen aus europäischen und nordamerikanischen Ländern sowie aus Südafrika teilnahmen, war die Lage in den palästinensischen Gebieten. Vor 50 Jahren wurden diese Gebiete im sogenannten "Sechstagekrieg" durch die israelische Armee besetzt.

Drastische Verschlechterung der Lebensbedingungen

Im Gebiet zwischen Bethlehem und Hebron konnten die Bischöfe erleben, wie der fortgesetzte israelische Siedlungsbau und der Verlauf der Sicherheitsmauer die Lebensbedingungen der Palästinenser drastisch verschlechtern. So drohe auch die Möglichkeit einer Zwei-Staaten-Lösung zunichte gemacht zu werden. Die Bischöfe richteten ihre Aufmerksamkeit zudem erneut auf die schwierige Situation im Cremisan-Tal zwischen Bethlehem und Jerusalem. Der Bau der israelischen Sperranlage, durch christliche Proteste jahrelang verzögert, sei im vergangenen Jahr weit fortgeschritten. Nach Auskunft von Menschenrechtsgruppen wird damit der Zugang der dort lebenden christlichen Familien zu ihren Ländereien nahezu unmöglich gemacht.

Linktipp: "Den Christen zur Seite stehen"

Bischof Stephan Ackermann besucht gerade das Heilige Land. Wie er die Christen vor Ort erlebt und ob er sich um seine eigene Sicherheit sorgt, erzählte er im Interview.

Die Bischöfe besuchten auch die schrumpfende christliche Gemeinde in Gaza. Durch die Hilfsmaßnahmen der in Jerusalem ansässigen katholischen Organisationen sei es gelungen, die Kräfte der verbliebenen Christen stärker zu aktivieren und die Zusammenarbeit mit der muslimischen Bevölkerung zu verbessern.

Gottesdienste in Geburtskirche und Grabeskirche

Zu den geistlichen Akzenten des Bischofstreffens gehörten nach Auskunft der Bischofskonferenz Gottesdienste in der Geburtskirche in Bethlehem, der Grabeskirche in Jerusalem sowie das gemeinsame Gebet mit der lokalen anglikanischen Gemeinschaft im Rahmen der Gebetswoche für die Einheit der Christen. Am Ort des jüngsten Jerusalemer Terroranschlags gedachten die Bischöfe der getöteten israelischen Soldaten.

In ihrer Abschlusserklärung (siehe unten) bezeichneten die Bischöfe die seit 50 Jahren andauernde Besatzung als "einen Skandal, an den wir uns nie gewöhnen dürfen". Sie sprachen sich in Übereinstimmung mit Papst Franziskus auch weiterhin für eine Zwei-Staaten-Lösung aus, die den Lebensbedürfnissen und berechtigten Sicherheitsinteressen beider Seiten entspreche. (stz)

Bischof Stephan Ackermann im Porträt
Bild: ©dpa

Als vertreter der Deutschen Bischofskonferenz nahm Triers Bischof Stephan Ackermann an dem Bischofstreffen im Heiligen Land teil.

Abschlusskommuniqué des Internationalen Bischofstreffens

Zum Abschluss ihre Treffens im Heiligen Land haben die teilnehmenden Bischöfe ein Abschlusskommuniqué veröffentlicht. Katholisch.de dokumentiert das Schreiben im Wortlaut:

Seit fünfzig Jahren leiden das Westjordanland und der Gazastreifen unter einer Besatzung, die die Menschenwürde der Palästinenser und der Israelis verletzt. Das ist ein Skandal, an den wir uns nie gewöhnen dürfen.

Seit 1998 fordert unsere Koordinierungsgruppe jedes Jahr Gerechtigkeit und Frieden, doch das Leiden geht weiter. Deshalb muss unser Rufen lauter werden. Als Bischöfe bitten wir die Christen in unseren Heimatländern dringend, die eigene Verantwortung anzuerkennen - im Gebet, in der Bewusstseinsbildung und im Handeln.

So viele Menschen im Heiligen Land haben ihr gesamtes Leben unter der Besatzung verbracht. Sie haben soziale Polarisierung und Ausgrenzung erlebt, und doch bekennen sie sich zur Hoffnung und streben nach Versöhnung. Sie verdienen heute mehr denn je unsere Solidarität.

Wir alle haben die Verantwortung, uns gegen den fortgesetzten Siedlungsbau zu wenden. Diese de facto-Annexion von Gebieten untergräbt nicht nur die Rechte der Palästinenser in Gebieten wie Hebron und Ostjerusalem, sondern gefährdet, wie auch die Vereinten Nationen zuletzt festgestellt haben, jede Friedenschance.

Wir alle haben die Verantwortung, den Menschen in Gaza, die weiterhin in einer von Menschen verursachten humanitären Katastrophe leben, Hilfe zu leisten. Sie leiden mittlerweile seit einem Jahrzehnt unter einer Blockade, die durch mangelnden politischen Fortschritt verursacht wurde, weil alle beteiligten Parteien unwillig sind, eine Lösung zu finden.

Wir alle haben die Verantwortung, gewaltfreien Widerstand zu fördern, der, wie Papst Franziskus uns erinnert, bereits große Veränderungen auf der ganzen Welt herbeigeführt hat. Dies ist insbesondere angesichts von Ungerechtigkeiten wie dem fortgesetzten Bau der Trennmauer auf palästinensischem Boden (einschließlich des Cremisan-Tals) erforderlich.

Wir alle haben die Verantwortung, uns für eine Zwei-Staaten-Lösung einzusetzen. Der Heilige Stuhl hat dazu betont: "Wenn Israel und Palästina nicht einverstanden sind, Seite an Seite zu leben, versöhnt und souverän in wechselseitig vereinbarten und international anerkannten Grenzen, wird der Frieden ein entfernter Traum und Sicherheit eine Illusion bleiben."

Wir alle haben die Verantwortung, der Kirche vor Ort, ihren Hilfswerken, Freiwilligen und NGOs zu helfen. Unter schwierigsten Umständen haben sie große Widerstandsfähigkeit und lebensverändernden Einsatz gezeigt. Unser Glaube an Gott gibt uns Hoffnung. Das Zeugnis der Christen im Heiligen Land, vor allem der jungen Menschen, denen wir begegnet sind, inspiriert uns.

In der Bibel heißt es: "Erklärt dieses fünfzigste Jahr für heilig und ruft Freiheit für alle Bewohner des Landes aus!" (Lev 25,10). In diesem fünfzigsten Jahr der Besatzung müssen wir für die Freiheit aller im Heiligen Land beten und alle Menschen tatkräftig unterstützen, die sich für einen gerechten Frieden einsetzen.

S.E. Mgr. Declan Lang, England und Wales (Vorsitzender der Koordinierungsgruppe zur Unterstützung der Kirche im Heiligen Land)
S.E. Mgr. Ricardo Fontana, Italien
S.E. Mgr. Stephan Ackermann, Deutschland
S.E. Mgr. Peter Burcher, Bischofskonferenz der Nordischen Länder
S.E. Mgr. Oscar Cantu, Vereinigte Staaten
S.E. Mgr. Christopher Chessun, Church of England
S.E. Mgr. Michel Dubost, Frankreich
S.E. Mgr. Lionel Gendron, Kanada
S.E. Mgr. Felix Gmur, Schweiz
S.E. Mgr. Nicholas Hudson, Kommission der Bischofskonferenzen der EU
S.E. Mgr. William Kenney, England und Wales
S.E. Mgr. William Nolan, Schottland

Mit der Unterstützung von:
Mgr. Duarte da Cunha, Rat der Europäischen Bischofskonferenzen
Fr. Peter-John Pearson, Südafrikanische Bischofskonferenz