Ordensfrauen betreuen Menschen in entlegenen Gebieten Lateinamerikas

"Wo die feste Straße endet, beginnt unser Auftrag"

Veröffentlicht am 26.02.2017 um 11:01 Uhr – Lesedauer: 
Weltkirche

München ‐ Paraguay, Bolivien, Peru: Hier kommen Schwestern mit einem Geländewagen oder zur Not auf dem Pferd an die entferntesten Orte. Weil es dort keinen Seelsorger gibt, haben sie eine ganz besondere Erlaubnis.

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"Schnell, das müsst ihr gesehen haben! Die Mutter Jesu kommt!" Die Dorfbewohner im Bezirk Canindeyú im Südosten Paraguays kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus: Noch nie hatten sie Ordensfrauen mit Schleier gesehen; sie kannten das nur von Darstellungen der Gottesmutter Maria. "Und das ist keine Geschichte aus dem 19. Jahrhundert, das war 1999", erzählt Mutter Maria Luján vom Orden der "Missionarinnen vom lehrenden und sühnenden Heiland" - einer Gemeinschaft, deren Wurzeln auf deutsche Missionare aus Hiltrup zurückgehen. Sie wurde 1961 in Peru gegründet. Ihr Charisma: Dort leben und arbeiten, wohin monate- oder sogar jahrelang kein Priester kommt.

Eine Diözese so groß wie Belgien

Genau das ist der Fall in der Pfarrei "Unsere Liebe Frau vom Karmel" in Villa Ygatimi an der Grenze zu Brasilien. Sie ist eine von 38 Pfarreien der Diözese Ciudad del Este, die ein Gebiet der Größe Belgiens umfasst, aber nur 12 Priester hat. Nur selten kann einer von ihnen Villa Ygatimi mit seinen 20.000 Gläubigen und fast 100 entlegenen Filialkapellen besuchen. Erschwerend kommt hinzu: Die Straßen sind schlecht, bei Regen kaum passierbar. "Drei bis vier Mal im Jahr kommt ein Priester. Innerhalb einer Woche besucht er die umliegenden Dörfer, feiert die heilige Messe und hört Beichte, manchmal einen ganzen Tag lang", erzählt Mutter Luján.

Bild: ©Kirche in Not

Eine Schwester in Peru leitet eine Begräbnisfeier

In der übrigen Zeit übernehmen die Ordensfrauen die Pfarreiarbeit: Mit besonderer kirchlicher Erlaubnis spenden sie die Taufe, assistieren bei Eheschließungen und halten Beerdigungen. Sie feiern Wortgottesdienste, besuchen die Kranken, halten Unterricht für die Kinder und Einkehrtage für die Erwachsenen. "Unsere Schwestern betreuen Menschen, die nicht einmal eine Postanschrift haben. Sie wirken an Orten, an die nie ein Politiker, ein Sozialarbeiter oder kaum eine Hilfsorganisation kommt", erzählt die Oberin.

Die Päpstliche Stiftung "Kirche in Not" unterstützt die Arbeit der "Missionarinnen vom lehrenden und sühnenden Heiland" seit vielen Jahren. Die Gemeinschaft zählt heute 400 Schwestern auf 38 entlegenen Missionsstationen in Paraguay, Bolivien, Peru und weiteren lateinamerikanischen Ländern. Sie nennen ihre Niederlassungen "Patmos" nach der griechischen Insel, auf die der Überlieferung nach der Apostel Johannes verbannt wurde. "Dort, wo die feste Straße endet, beginnt unser Auftrag", erzählen die Schwestern von Villa Ygatimi lachend. Von dort bis zur am weitesten entfernten Filiale ihrer Pfarrei sind es 41 Kilometer. "Das stellt unsere altgedienten Geländewagen auf harte Proben – und notfalls nehmen wir ein Pferd oder gehen zu Fuß."

Am meisten habe sie berührt, so Mutter Luján, als ein Dorfbewohner zu ihr sagte: "Es ist wunderbar, dass Gott uns besucht, dass er so weit reist, um bei uns einfachen Menschen zu sein!" Der Hunger der Menschen nach Gott sei groß. "Als wir hier ankamen, war die Kirche schmutzig. Die Menschen haben kaum am Pfarrleben teilgenommen. Alkohol und Drogen waren ein großes Problem." Zuerst hätten die Schwestern Einkehrtage angeboten und Vorträge gehalten. Nun herrsche eine größere Solidarität unter den Bewohnern. Arme und kranke Menschen würden von der ganzen Dorfgemeinschaft besser betreut. Auch die Abwanderung in die Städte - für viele Menschen der Weg in die Verelendung - habe sich verlangsamt. "Die Menschen haben wieder Zukunftshoffnung."

Bild: ©Kirche in Not/Jacques Berset

Schwestern der "Missionarinnen vom lehrenden und sühnenden Heiland" aus Paraguay zeigen ihren Geländewagen, der sie in entlegene Dörfer bringt.

Eine Hoffnung, die sich mehr und mehr auch Sekten zu Nutze machen, die vor allem aus Brasilien kommen. Sie haben die entlegenen Dörfer als Missionsgebiete für sich entdeckt, locken mit Wohltaten für die Armen und Heilungsversprechen für die Leidenden. Die Schwester sehen das mit Sorge. "Ein Pastor zwingt die Menschen zum Gottesdienstbesuch, wenn sie ihn um Lebensmittel bitten. Sie gehen hin - und kommen dann trotzdem zu unseren Sonntagsgottesdiensten. Die Menschen lassen auch ihre Kinder katholisch taufen, weil sie einen tiefen Glauben und eine große Marienfrömmigkeit haben", erzählt eine Schwester.

Gott dorthin bringen, wo kein Seelsorger ist

Die Treue und Anhänglichkeit der Menschen seien beeindruckend. Dennoch ist für die Ordensfrauen eines klar: Sollte die Gemeinde einen festen Pfarrer bekommen, würden sie ihre Niederlassung sofort auflösen und an einen anderen Ort ziehen. "Das ist ja gerade unser Charisma: Gott dorthin zu bringen, wo kein Seelsorger ist!"

Von Jacques Berset und Tobias Lehner