Kerzen statt Blaulicht

Michael Bertling ist immer noch überrascht, dass sich an dem Begriff "Polizeikirche" niemand stört. "Unser Beirat in der Polizeiseelsorge nicht, die Kirchgemeinde stört es auch nicht", sagt der Polizeipfarrer der Evangelischen Landeskirche Anhalt und erklärt auch, warum genau diese Kirche in einem Vorort von Dessau Polizeikirche geworden ist. "Sie liegt zentral in unserer Region. Die Kirchgemeinde nutzt die Kirche nicht so häufig, dass es zu gegenseitigen Behinderungen käme und die Kirche gehört dem Land Sachsen-Anhalt", erklärt Bertling.
Eine Gemeinde auf Zeit
Dass es überhaupt zu der Polizeikirche kam, ist auch Bertlings Verdienst. Der 52 Jahre alte Polizeipfarrer ist der einzige Polizeiseelsorger im Dienst der Landeskirche und einer von sechs in Sachsen-Anhalt. "Er tut das voller Leidenschaft", sagt Kirchenpräsident Joachim Liebig. Er habe Bertling einmal gefragt: "Sind sie nicht auch Gemeinde? Und sollten sie dann nicht auch einen festen Ort haben?"
Der Pfarrer der Christusgemeinde Großkühnau-Ziebigk, Stephan Grötzsch, und der Landespolizeipfarrer der Evangelischen Kirche Anhalts, Michael Bertling, in der ersten Polizeikirche Deutschlands im Dessau-Roßlauer Ortsteil Großkühnau (Sachsen-Anhalt).
Das war der Anfang einer Idee, die 2012 von Liebig vorgetragen und vom 14-köpfigen Seelsorgebeirat befürwortet wird. Ihm gehören Vertreter der Landeskirche und der regionalen Polizeidirektion Ost in Dessau-Roßlau an. Dort hat Bertling auch ein Büro. "Wenn man als Polizeiseelsorger arbeitet, dann baut man in gewisser Weise eine Gemeinde auf Zeit auf", sagt Bertling. "Meistens ist das eine lange Zeit. Im Idealfall dauert sie ein ganzes Berufsleben."
An diesem Mittwoch wird die Kirche mit einem Gottesdienst offiziell in den Polizeidienst gestellt. In Zukunft soll sie Polizisten und deren Angehörigen ein Ort der Begegnung und Besinnung sein - eine Art Parallelgemeinde neben der örtlichen Christusgemeinde Großkühnau-Ziebigk. Eine verortete Verbindung zwischen Polizei und Kirche.
Kirche bietet der Polizei Schutz
Ortspfarrer Stephan Grötzsch war zunächst irritiert, als er mit der Causa konfrontiert wurde, doch schnell folgten Neugier und Offenheit. "Die Polizei ist dazu da, Schutz zu bieten. Warum soll die Kirche der Polizei nicht ebenso Schutz bieten?" Er freue sich auf Bertlings "Gemeinde auf Zeit", sagt Grötzsch.
"Man kann nicht alles in den Diensträumen der Polizei machen. Für manche Dinge braucht es einen speziellen Ort", erklärt Pfarrer Bertling. Damit Polizeibedienstete dort beten und sich besinnen können, wird die Kirche regelmäßig und verlässlich geöffnet sein. Kurse und Seminare werden künftig ebenso in Großkühnau stattfinden, wie Taufen und Hochzeiten speziell für Polizeibeamte und ihre Familien. Und noch einen wichtigen Zweck soll das Gotteshaus erfüllen, erzählt Bertling: "Die Kirche soll ein Ort der Erinnerung an Kollegen werden, die im Polizeidienst ums Leben gekommen sind". (Mit Material von dpa)
Von Markus Kremser und Sabrina Gorges