Zur Debatte um den gesetzlichen Schutz der Karfreitags-Ruhe

Besinnung per Gesetz?

Veröffentlicht am 18.04.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Meinung

Bonn ‐ Es ist fast schon ein kleines Osterritual: Zu Karfreitag wird diskutiert, ob "Stille Feiertage" noch zeitgemäß sind: Tage, an denen per Gesetz Tanzveranstaltungen, "unpassende" öffentliche Veranstaltungen und die Aufführung von Filmen verboten sind. Begründet wird dieses Verbot mit dem Feiertagsschutz: Der besondere Charakter des Karfreitag mache es nötig, gesetzlich die Ruhe zu sichern.

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Die Debatte um die stillen Tage wird laut geführt. Leider ist sie ein eingefahrenes Ritual: Die Religiösen hier, die Säkularen da, und dazwischen ist beiderseitiges Unverständnis. Von Seiten der Religiösen wird die Debatte geführt, als gelte es, das christliche Abendland zu verteidigen - und zwar genau an dieser Frage.

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Auch andere solche Debatten werden so geführt: Ostern ist kein Hasen-Fest, Allerheiligen (oder Reformationstag) statt Halloween, Advent ist im Dezember, Nikolaus statt Weihnachtsmann. Ein Kulturkampf um Symbole - und das ist das Problem, das ich an diesen Versuchen sehe: eine christliche Identität über Symbolpolitik sichern zu wollen, und nicht über christliches Handeln und Zeugnis.

Stark sind wir Christen oder christliche Werte nicht, wenn wir mit der Kraft des Gesetzes unsere Art, Feste zu feiern, anderen vorschreiben. Stark sind wir auch nicht, wenn wir die Zeichen unseres Glaubens (die Bedeutung von Ostern, Advent und Weihnachten zum Beispiel) dadurch stark zu machen glauben, dass wir einen anderen Umgang mit diesen geprägten Zeiten verächtlich machen.

Glauben anbieten, nicht vorschreiben

Gesetze wie das über die Stillen Feiertage kommen aus einer Zeit, als wir eine weitgehend christliche, volkskirchlich geprägte Gesellschaft waren. Heute ist es anders: gut ein Drittel der Deutschen sind keine Christen, und auch wir zwei Drittel sind nicht die große Volkskirche, die wir einmal waren. Es ist verständlich, wenn eine religiös sehr einheitliche Gesellschaft sich auch Gesetze gibt, die diese Religion als Maßstab für alle nehmen. In unserer Zeit ist das aber begründungsbedürftig: Warum soll eine religiös motivierte Regel für alle gelten? Wir müssen unseren Glauben anbieten - nicht seine Symbole und Bräuche vorschreiben.

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Video: © Mediaplus X und Bernward Medien

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Wenn wir unseren kleinen Kulturkampf (und um nicht falsch verstanden zu werden: Auch auf der anderen Seite gibt es die Kulturkämpfer) um die stillen Feiertage führen, dann stellt sich die Frage nach den Prioritäten - und danach, wie christlich wir selbst wirklich sind. Braucht es wirklich ein staatliches Gesetz, das alle zur Ruhe verpflichtet? Genügt es nicht, dass unsere Gottesdienste und unsere Kirchen Orte sind, an denen wir ungestört unseren Glauben feiern können, und dass wir auch in der Öffentlichkeit unseren Glauben bezeugen und leben können? Für den Glauben gewinnen wir andere nicht durch gesetzliche Vorschriften, wie sie sich zu verhalten haben, sondern nur durch das Zeugnis unseres eigenen Lebens und Glaubens.

Ich verlange von der Gesellschaft die Toleranz, das Verkehrshindernis unserer Prozessionen, den Lärm unserer Kirchenglocken, den Habit unserer Ordensleute in den Schulen und Glaubenszeugnisse in Schmuck und Kleidung auch bei Beamten zuzulassen. Diese Toleranz kann ich aber nur erwarten, wenn ich nicht anderen vorschreibe, wie sie ihren Glauben (oder ihren Nicht-Glauben) zu leben haben. Wenn der Karfreitag kein Stiller Tag mehr ist, dann werden wir Christen weiterhin würdig den Tod unseres Herrn begehen, unabhängig davon, ob andere tanzen oder nicht. Vor allem aber müssen wir nicht mehr so tun, als entscheide sich der christliche Glaube in den Feiertagsgesetzen der Bundesländer.

Von Felix Neumann