Görlitzer Bischof über Segen und Fluch des Tagebaus

Bischof Ipolt: Wir brauchen die Braunkohle noch

Veröffentlicht am 18.01.2018 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Braunkohle

Görlitz ‐ Der Abriss des "Immerather Doms" hat die Debatte über die Braunkohle neu angeheizt. Der Görlitzer Bischof Wolfgang Ipolt, in dessen Bistum viele Tagebaue liegen, plädiert für einen differenzierten Blick.

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Frage: Herr Bischof, der Aufschrei über den Abriss des "Immerather Doms" zugunsten des Braunkohletagebaus Garzweiler in Nordrhein-Westfalen war in den vergangenen Tagen groß. Auch in Ihrem Bistum mussten der Braunkohle schon Orte weichen.

Ipolt: Ich habe die Bilder vom Abriss der Kirche gesehen. Das tut immer weh. Mir als Bischof tut es besonders weh, wenn eine Kirche eingerissen wird; die Menschen dort schmerzt es sicher auch. Ich habe gehört, dass die Kirche schon längere Zeit nicht mehr als Kirche genutzt wurde, dass sie nicht mehr mit Leben gefüllt war. Kirchen sind Gebäude, die für den Gottesdienst gebraucht werden. Das heißt aber nicht, dass sie unbedingt an dieser Stelle stehen müssen und nicht woanders. Das hat es schon immer gegeben. Ein solcher Abriss ist natürlich ein Zeichen. Aber auch wenn man Menschen ihre Wohnhäuser wegnehmen muss, ist das schlimm. Das ist eine schwere Entscheidung.

Frage: Wie stehen Sie zur Braunkohle? Pro oder kontra?

Ipolt: Ich bin hin- und hergerissen. Ich weiß, dass wir in der Zeit der Energiewende leben. Hoffentlich wird die Braunkohle irgendwann nicht mehr gebraucht. Derzeit brauchen wir sie aber noch. Es haben ja auch tausende Menschen Arbeit in der Kohle gefunden.

Bild: ©KNA

Wolfgang Ipolt ist Bischof des Bistums Görlitz.

Frage: Die Kohle ist also Fluch und Segen zugleich?

Ipolt: Ja. Meine Haltung zur Braunkohle ist in genau diesem Punkt gespalten. Die Fachleute sind sich in den Fragen der erneuerbaren Energie ja auch noch nicht einig. Sind die Windräder wirklich die Zukunft? Oder sind es vielleicht eher Solarzellen? Da wird noch viel geforscht und erprobt werden müssen.

Frage: Der neue sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer ist gegen einen schnellen Ausstieg aus der Braunkohle und will erst in 30 Jahren ein Ende des Abbaus.

Ipolt: Wir müssen auf jeden Fall die Entwicklung verschiedener Energieformen vorantreiben. Ich bin auch sehr dafür, dass die sauberste Energieform gesucht und gefunden wird. Wir müssen mit Augenmaß einen veränderten Weg einschlagen und dabei die Menschen hier in der Lausitz mitnehmen. Man darf den Ausstieg aus der Braunkohle nicht überstürzen. Das muss verantwortlich geschehen.

Frage: Was bedeutet das für das Bistum Görlitz?

Ipolt: Die Richtung ist ganz klar. Als Kirche vertreten wir die Position, dass ökologisch nachhaltige Energieerzeugung der richtige Weg ist. Das sagt auch Papst Franziskus in seiner Enzyklika "Laudato si". Auf der anderen Seite muss der Wandel mit Verständnis für die Betroffenen gestaltet werden: Den Bewohnern der Lausitz, die möglicherweise für die Kohle weichen müssen, und den Menschen, die ihren Lebensunterhalt in der Kohle verdienen. Das ist keine leichte Aufgabe. Ich beneide die Politiker und Entscheider in dieser Sache nicht. Ohne Enttäuschungen wird das nicht ablaufen – mal für die eine, mal für die andere Seite.

Von Markus Kremser

Zur Person

Bischof Wolfgang Ipolt (*1954) ist seit 2011 Bischof von Görlitz. Innerhalb der Deutschen Bischofskonferenz ist er stellvertrender Vorsitzender der Kommission Weltkirche sowie Mitglied der Pastoralkommission und der Unterkommission für Mittel- und Osteuropa.