Homosexuellen-Seelsorger sieht widersprüchliche Kirchenlehre

Erzbistum bietet Treue-Kurse für Homosexuelle an

Veröffentlicht am 05.02.2018 um 12:05 Uhr – Lesedauer: 
Ein verliebtes Paar, zwei Männer, lehnen sich aneinander.
Bild: © KNA
Italien

Turin ‐ Das Erzbistum Turin berät künftig Homosexuelle - und zwar in Sachen Liebe und Treue. Für den zuständigen Seelsorger ist das aber nur der Anfang. Er kritisiert eine "widersprüchliche" Kirchenlehre.

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Das Erzbistum Turin bricht im Umgang mit Homosexuellen ein kirchliches Tabu: Seit diesem Monat bietet die katholische Kirche in der norditalienischen Stadt für gleichgeschlechtliche Paare und homosexuelle Singles spezielle Kurse zum Thema Liebe und Treue an. Es gehe hierbei nicht darum, sich als Lehrmeister aufzuspielen, "aber wir wollen damit zum Ausdruck bringen, dass auch Homosexuelle Treue verdienen", zitierte das Internetportal "Vatican Insider" am Wochenende den Homosexuellen-Beauftragten des Erzbistums, Gianluca Carrega.

Das 2016 in Italien Kraft getretene Gesetz über eingetragene Lebenspartnerschaften enthalte keine Verpflichtung zur Treue, begründet das Erzbistum seine ungewöhnliche Initiative. Diese Lücke will das Erzbistum laut Carrega mit seinem Angebot schließen. "Das Gesetz kann bestimmen, welche Mindestanforderungen es gibt, aber wir wollen von der Qualität der Beziehung reden", erklärte der Geistliche. Der erste Treue-Kurs für homosexuelle Paare und Singles soll vom 24. bis zum 25. Februar in der Niederlassung eines Frauenordens stattfinden. Auf dem Programm stehen Gebete, Meditationen und Gespräche zum Wert von Treue und Liebe mit einem Jesuitenpater.

Carrega: Kirchliche Lehre widersprüchlich

Die kirchliche Lehre über Homosexualität ist aus Carregas Sicht "widersprüchlich". Homosexuelle, die unverbindliche gleichgeschlechtliche Beziehungen hätten, könnten beichten gehen und würden zu den Sakramenten zugelassen. Homosexuellen, die hingegen in einer festen Beziehung lebten und mehr als nur eine platonische Beziehung zueinander unterhielten, würden die Sakramente oft verweigert, sagte er laut Vatican Insider. "So riskieren wir große Schäden, und fördern unter den Gläubigen Heimlichkeit und das Sich-aus-der-Verantwortung stehlen." Auch die Kirche müsse sich Gedanken machen über den Wert der gleichgeschlechtlichen Liebe, forderte Carrega. Das Erzbistum Turin ist eines der wenigen Bistümer Italiens, das einen eigenen Beauftragten für die Homosexuellen-Seelsorge hat.

Auch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Kardinal Reinhard Marx hatte in der vergangenen Woche für ein Umdenken im kirchlichen Umgang mit homosexuellen Paaren plädiert. Eine Segnung von homosexuellen Paaren hält Marx im Einzelfall für möglich.

In Italien ist die "Homo-Ehe" seit 2016 erlaubt. Homosexuelle Paare dürfen sich von einem Beamten trauen lassen. Vor Gericht, vom Finanzamt, im Krankenhaus und im Todesfall werden sie wie Eheleute behandelt. Es gibt allerdings kein Recht auf eine Adoption der Kinder des Lebenspartners. (tja)