Schulen nur für Katholiken?
Eine katholische Schule, die katholische Bewerber ablehnt? In Großbritannien ist das möglich. Der Grund dafür ist eine Verordnung aus dem Jahr 2010: Sie soll verhindern, dass an staatlich finanzierten Privatschulen der Religionsgemeinschaften mehr als 50 Prozent der Schüler der Konfession des Trägers angehören. Besteht die Schülerschaft einer Bistums-Schule also bereits zu mehr als der Hälfte aus Katholiken, müssen Andersgläubige bei der Aufnahme bevorzugt werden. Die "50-Prozent-Regel" will weltanschauliche Ghettos an englischen Schulen vermeiden und garantieren, dass religiöse Bildungseinrichtungen Schülern aller Bekenntnisse offen stehen. Die Verordnung bezieht sich jedoch nur auf neu eröffnete, vom Staat finanzierte Schulen und nicht auf bereits bestehende Privatschulen, die eine staatliche Unterstützung erhalten.
Katholische Bischöfe halten sich für benachteiligt
Während die Anglikaner die "50-Prozent-Regel" mehrheitlich unterstützen, sieht sich die katholische Kirche durch die Verordnung benachteiligt. Die Bischöfe halten es nicht für richtig, Schulen zu gründen, an denen gläubige Kinder abgelehnt werden. Diese Situation würde "das Recht katholischer Eltern gefährden, für ihre Kinder eine katholische Erziehung zu wählen", argumentierten die Bischöfe von England und Wales im November 2017 in einer Petition an die britische Regierung. Sie begründeten ihre Opposition auch mit dem Kirchenrecht. In der Tat sieht das kirchliche Gesetzbuch, der Codex Iuris Canonici, vor, dass die Kirche katholischen Eltern bei der Erziehung ihrer Kinder Hilfen anbieten muss – etwa durch die Errichtung von Schulen.
Der Bedarf an neuen Schulen ist vorhanden, denn die katholische Kirche im Vereinigten Königreich wächst. Allein die Diözese East Anglia würde acht neue Schulen eröffnen, wenn es die "50-Prozent-Regel" nicht gäbe. Zum Katholiken-Wachstum tragen besonders Migranten aus osteuropäischen Ländern, aus Afrika und von den Philippinen bei. In den vergangenen Jahren haben sie die Zahl der Katholiken auf über sechs Millionen steigen lassen. Derzeit machen sie etwa zehn Prozent der Bevölkerung aus. Dabei ist die Zahl der praktizierenden Katholiken mit rund 850.000 Gottesdienstbesuchern genauso hoch wie bei den Anglikanern. Und das, obwohl offiziell 45 Prozent der Briten der Staatskirche angehören.
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Seit einigen Monaten haben die katholischen Bischöfe die Hoffnung, dass sich die Lage zu ihren Gunsten verändern könnte. Im Wahlprogramm des vergangenen Jahres hat die Regierung um Premierministerin Theresa May versprochen, die "50-Prozent-Regel" abzuschaffen. Sie sei "unfair und uneffektiv", hatte May gesagt. Ihr neuer Bildungsminister, Damian Hinds, kündigte erst im vergangenen Monat an, das Deckelungsgesetz wie geplant abschaffen zu wollen.
Doch gegen dieses Vorhaben sprach sich Anfang März der britische Humanistenverband aus. In einem offenen Brief, der im "Daily Telegraph" erschienen war, schrieben die Humanisten, es sei erwiesen, dass die "50-Prozent-Regel" die "Integration an religiösen Schulen fördere und den gerechten Zugang aller ortsansässigen Familien zu ortsnahen Schulen gewährleiste". Die Regel würde dazu beitragen, dass staatlich finanzierte Schulen "offen, inklusiv, divers und integriert" seien. Die Humanisten haben prominente Unterstützer: Mehr als 70 Politiker, Religionsvertreter und Intellektuelle unterschrieben die Petition gegen die Aufhebung der Vorgabe. Unter ihnen auch der britische Biologe und Religionskritiker Richard Dawkins und der ehemalige Erzbischof von Canterbury, Rowan Williams, einst der wichtigste Geistliche der anglikanischen Kirche.
Die katholische Kirche ließ diese Kritik nicht auf sich sitzen: Der Katholische Erziehungsdienst der Bischofskonferenz von England und Wales wies die Kampagne zurück: "Die bestehenden katholischen Schulen, die alle ihre Plätze nach dem Glauben vergeben können, sind die sozial und ethnisch vielfältigsten Schulen des Landes." Katholische Schulen erzögen "mehr als 300.000 Nicht-Katholiken, unter ihnen 27.000 Muslime". Die kirchliche Einrichtung begründete sein Engagement gegen die "50-Prozent-Regel" damit, dass man für die Rechte katholischer Eltern kämpfen wolle. Sie sollen "die gleichen Möglichkeiten bei der Wahl der Schule haben, wie alle anderen". Man hoffe, dass künftig kirchliche Schulen Katholiken nicht mehr ablehnen müssen.