Vor 100 Jahren wurde die Ordensschwester geboren

Isa Vermehren: Nach Kabarett und KZ ins Kloster

Veröffentlicht am 21.04.2018 um 12:17 Uhr – Lesedauer: 
Isa Vermehren: Nach Kabarett und KZ ins Kloster
Bild: © KNA
Kirche

Bonn ‐ Isa Vermehren gehörte zu den Menschen, die andere mit ihrem Glauben begeistern konnten. Die Ordensfrau vermittelte tiefen Ernst und mitreißende Vergnügtheit. Am 21. April wäre sie 100 Jahre alt geworden.

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Die Umbrüche und Katastrophen des 20. Jahrhunderts hatte sie wie viele ihrer Generation hautnah miterlebt und erlitten. Aber nur wenige fanden auf die Fragen der Zeit so authentische Antworten wie Schwester Isa Vermehren - erst als Kabarettistin, später als Ordensfrau, Pädagogin und erste "Wort zum Sonntag"-Sprecherin. Am 21. April wäre sie 100 Jahre alt geworden.

Isa Vermehren stammte aus einer Lübecker Familie, der Vater Jurist, die Mutter Journalistin. Als die Nationalsozialisten in ihrer Heimatstadt Fuß fassten, bekam Isa das von Anfang an zu spüren. Dass ihre Eltern dem Regime ablehnend gegenüberstanden, war bekannt. Nach dem Scheitern der Ehe zog ihre Mutter mit Isa und dem jüngsten Sohn Erich nach Berlin. Ihre beruflichen Kontakte ermöglichten Isa Vermehren Auftritte in der "Katakombe", dem legendären literarischen Kabarett von Werner Finck, wo sie für Furore sorgte.

Musikalisch, mit schöner Singstimme, hübsch, temperamentvoll und lustig - so stand sie fortan mit ihrer Ziehharmonika "Agathe" auf der Bühne und sang Seemannslieder. Die leicht veränderten Texte interpretierten sowohl das Publikum als auch die Gestapo politisch. Auch nach der Schließung der "Katakombe" war sie gut beschäftigt, ging auf Tournee, spielte in Unterhaltungsfilmen mit, nahm Gesangs- und Schauspielunterricht und holte auf einem Abendgymnasium das Abitur nach.

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Video: © ZDF

Deutschlands berühmteste Ordensschwester der Nachkriegszeit, interviewt von Volker Kühn (ZDF) zu ihrer Lebensgeschichte, vor allem über die Zeit in den letzten Jahren im Dritten Reich.

Aber: Diese Jugendjahre waren auch eine Zeit intensiver Sinnsuche. Auf die zentrale Frage fand sie keine Antwort: "Was ist es wert, dass ich dafür lebe und notfalls auch sterbe?" Die Protestantin glaubte zwar an die Existenz Gottes - aber wer war dieser Gott? In einem ZDF-Interview berichtete sie später, dem Rat einer "sehr klugen katholischen Frau" gefolgt zu sein: "Wenn Sie das wissen wollen, müssen Sie beten." Sie betete viel und konvertierte 1938.

Vermehrens Verlobter fiel im Zweiten Weltkrieg

Obwohl sie sich ein Leben im Kloster vorstellen konnte, verlobte sie sich mit dem Architekten Karl Beutler, der aber wenig später im Krieg fiel. Im Rahmen der Truppenbetreuung tourte sie über die Kriegsschauplätze Europas; später fragte sie sich, ob sie damit den verhassten Krieg mit unterstützt hatte.

1944 wurde sie selbst Opfer der Nazis: Ihr Bruder Erich, als Diplomat in der deutschen Botschaft in Ankara tätig, lief mit seiner Frau zu den Briten über. Zahlreiche Familienangehörige wurden daher in verschiedene KZs deportiert. Isa Vermehren kam nach Ravensbrück, später nach Buchenwald und Dachau. Dort war sie, vergleichsweise privilegiert, zusammen mit einer Schwägerin in einer Zelle untergebracht; die Morde an anderen Häftlingen bekam sie trotzdem mit. In ihrem Buch "Reise durch den letzten Akt" berichtete sie 1946 über diese Schreckenszeit - ein Anliegen bis zu ihrem Lebensende.

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Video: © Peter Philipp

Sie war Kabarettistin im Dritten Reich, überlebte das KZ Ravensbrück und wurde schließlich Ordensschwester und prominente "Wort zum Sonntag"-Sprecherin. Ostermontag zeigt das ZDF den Film über Isa Vermehrens Leben.

Nach dem Krieg wollte sie bei den Schwestern vom Heiligsten Herzen Jesu eintreten - aber die lehnten ab und rieten zunächst zum Studium. Isa Vermehren wählte Englisch, Geschichte und Philosophie. 1951 trat sie schließlich in den konservativ geprägten Orden in Bonn-Pützchen ein. Dort wurde sie lange als Pädagogin eingesetzt. "Ich habe mich nie für eine gute Lehrerin gehalten", meinte sie einmal. Allerdings hätten die Schülerinnen immer viel Spaß in ihrem Unterricht gehabt. Dagegen war sie gerne Schulleiterin, zuerst in Pützchen, ab 1969 in Hamburg.

"Kabarett und Kirche" verbunden

Nach ihrer Pensionierung war Vermehren von 1986 bis 1998 mit Witz und Charme die erste Sprecherin vom "Wort zum Sonntag" in der ARD. Für ihr publizistisches Lebenswerk erhielt sie den "Deutschen Predigtpreis 2003". In der Laudatio hieß es, sie habe "Kabarett und Kirche, tiefen Ernst und mitreißende Vergnügtheit, Kloster und Welt" verbunden.

Am Ende eines langen Lebens sah sie ohne Angst, aber eher pessimistisch in die Zukunft. Ihr Glaube an das Gute im Menschen war schon im KZ erschüttert worden, nicht aber ihr Glaube an Gott. Ihren Zuhörern riet sie, sich von der Unruhe des Herzens führen zu lassen. Geduld gehöre aber auch dazu, und das Wichtigste dabei: "für das Ende dürfen wir Hoffnung haben". Am 15. Juli 2009 starb Schwester Isa Vermehren im Altersheim ihres Ordens in Bonn.

Von Birgitta Negel-Täuber (KNA)