In Görlitz steht seit über 500 Jahren eine Kopie des Heiligen Grabes

Tränenbrot am Görlitzer Jerusalem

Veröffentlicht am 18.04.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Ostern

Görlitz ‐ Michael Tschirch hat in diesen Tagen viel zu tun. Früh steht er in der Backstube und fertigt neben den üblichen Broten und Brötchen auch die Backwaren, die es nur zu Ostern gibt. Am Morgen des Karfreitag bäckt Michael Tschirch 280 Tränenbrote. Die Roggenbrötchen mit Hagelsalz haben eine lange Tradition.

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Seit Jahrhunderten gibt der "Jesusbäcker" den Gläubigen die den Kreuzweg in Gölitz gehen, das Tränenbrot als Wegzehrung mit. Das Haus des Jesusbäckers ist eine von sieben Stationen des Görlitzer Kreuzweges. Die Geschichte dieses Görlitzer Passionsweges reicht zurück bis in das 15. Jahrhundert. Der Legende nach schwängerte Georg Emmerich, Sohn einer einflussreichen Görlitzer Patrizierfamilie, im Jahr 1464 Benigna Horschel, die Tochter einer ebenfalls reichen und bedeutenden Görlitzer Familie. Er verweigerte die Heirat und wurde von seinem Vater auf eine Pilgerreise ins Heilige Land geschickt.

Verkleinerte Kopie der Heilig-Grab-Kapelle

In Jerusalem wurde er zum Ritter vom Heiligen Grab geschlagen und soll von dort exakte Pläne des Jerusalemer Heiligen Grabes mitgebracht haben. Die Familie Emmerich soll dann den Anstoß zum Bau des Görlitzer Heiligen Grabes gegeben haben. Tatsächlich begann der Bau der Anlage erst 1481. Vor 525 Jahren, im Jahr 1504, wurde die Adamskapelle fertig gestellt, in der sich Epitaphien der Familie Emmerich erhalten haben. Die Heilig-Grab-Kapelle ist eine verkleinerte Kopie des Jerusalemer Originals, deren Genauigkeit bei keiner anderen Nachbildung des Heiligen Grabes in Deutschland erreicht wurde. Das Bild, das sie in Görlitz bietet, stand in der gleichen Form den Kreuzfahrern vor Augen.

Ein brätiger Mann steh in einer hellen Kapelle und zündet eine Kerze an.
Bild: ©katholisch.de

In der Adamskapelle entzündet Michael Schmuck eine Kerze. In der Karwoche finden hier täglich Andachten statt.

Kaum jemand kennt die Anlage so gut wie Michael Schmuck. Er ist der Verantwortliche der Evangelischen Kulturstiftung, der das Heilige Grab gehört. "Die gesamte Anlage besteht aus der Heilig-Grab-Kapelle, der Doppelkapelle zum Heiligen Kreuz mit Adamskapelle und Golgathakapelle sowie dem Salbhaus mit der Skulptur "Die Beweinung Jesu" von Hans Olmützer", erklärt Michael Schmuck.

"Die Landschaft mit den Anhöhen nördlich der Grabeskapelle stellt den Ölberg mit dem Garten Gethsemane dar, mit der Gebetsstätte und der Jüngerwiese. Der Wasserlauf des Bächleins Lunitz symbolisiert das Tal des Baches Kidron", so Schmuck. Die Straßen der Stadt von der Krypta der Peterskirche bis zur Heiligen-Grab-Anlage bilden den Kreuzweg mit verschiedenen Stationen der Rast.

Kreuzweg gewinnt an Bedeutung

Am Karfreitag gehen hunderte evangelische Christen diesen Kreuzweg, der auch die Reformationszeit überstand. Seit DDR-Zeiten gehen katholische Christen den Leidensweg Jesu Christi mit. "Der katholische Bischof Wolfgang Ipolt wird dieses Jahr auch an einer Station dabei sein", berichtet Michael Schmuck von den Vorbereitungen auf den diesjährigen Kreuzweg. Seit der politischen Wende 1990 hat der Görlitzer Kreuzweg wieder an Bedeutung gewonnen. Vom SED-Regime waren die christlichen Traditionen nur widerwillig geduldet worden. In den letzten Jahren hat sich der Kreuzweg auch zu einer Touristenattraktion entwickelt, die immer mehr Gäste anzieht.

Von Markus Kremser