In Zürich zeigt eine Ausstellung verschwundene Gotteshäuser

Als der Schuhladen noch eine Kapelle war

Veröffentlicht am 19.07.2018 um 11:10 Uhr – Lesedauer: 
Kirche

Zürich ‐ Die Reformation in Zürich brachte der Stadt eine tiefgreifende Umwälzung. Als Folge wurden viele Kirchen, Kapellen und Klöster abgerissen. Die Ausstellung "Verschwundene Orte" zeigt, wo sie standen.

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Wer heute in Zürich nach den neusten Schuhtrends Ausschau hält, wird wohl kaum wissen, dass Menschen hier früher zum Beten herkamen. Dabei lässt der Name der Coop-Filiale "St. Annahof" bereits eine religiöse Verbindung vermuten. Bis zum Jahr 1912 stand nämlich nahe der heutigen Bahnhofstraße eine Kapelle - St. Anna. Sie gehörte zu einem der "Verschwundenen Orte", die derzeit in einer Ausstellung in Zürich zu sehen sind.

"Wir wollen hier darstellen, was für Objekte verschwunden sind, wofür sie standen und was die Reformation dagegen hatte", erklärte Dölf Wild, Leiter der Stadtarchäologie Zürich, in einem Interview mit kath.ch. Die Stadtarchäologie ist Veranstalter der Ausstellung. Wild und sein Team lassen nach eigenen Angaben die Bauten nicht nur aufleben, sondern würden auch das damalige Geschehen und die verantwortlichen Personen, die zu dieser Veränderung geführt haben, thematisieren.

Vor rund 500 Jahren brachte der Theologe Huldrych Zwingli die Reformation in Zürich in Gang. Er predigte gegen die Verehrung von Heiligen, von Zweifeln am Fegefeuer und Kritik an der Autorität der Kirche. 1524 ließ der Stadtrat, der zum Großteil hinter den Ansichten Zwinglis stand, zunächst Heiligenbilder aus den Zürcher Kirchen entfernen. Im April 1525 wurde in Zürich die bis dahin bekannte Messe abgeschafft und erstmals das Abendmahl nach Zwinglis neuer Ordnung begangen, in der es beispielsweise keine Musik mehr gab. Später wurden viele Kirchen, Klöster und Kapellen abgerissen.

Ausstellung "Verschwundene Orte"
Bild: ©Amt für Städtebau, Archäologie

Das ehemalige Kloster Selnau stand einst dort, wo heute das 8er-Tram der Selnaustrasse entlang fährt. Das Bild ist Teil der Ausstellung "Verschwundene Orte - Zürcher Klöster und Kapellen: von den Reformatoren abgeschafft".

Einige Gotteshäuser mussten unmittelbar nach Beginn der Reformation weichen. Viele andere wurden zunächst zweckentfremdet und wurden erst mit dem großen Stadtwachstum Ende des 19. Anfang des 20. Jahrhunderts abgerissen. Die aktuelle Ausstellung "Verschwundene Orte" rekonstruiert diese Kirchen, Klöster und Kapellen anhand von Fotomontagen und Kippbildern. Besucher können so sehen, wo die Gebäude im heutigen Zürich stehen würden.

"Wenn ich mit der Tram Nummer 8 durch die Selnaustraße fahre, weiß ich, dass ich jetzt mitten durch Kirche und Kreuzgang desehemaligen Klosters Selnau fahre. Das ist immer ein spezielles Erlebnis", sagt Wild. Er erklärt, dass man durch detaillierte Analysen und Grundrisse vergleichbarer Bauten den Platz der ehemaligen Gebäude relativ gut nachvollzogen habe. Es bleibe jedoch eine Annäherung und keine Garantie.

Auch in Zürichs Zoo treffen die Besucher auf einen "verschwundenen Ort". Das Zoorestaurant "Altes Klösterli" ist nach dem Kloster St. Martin benannt, das früher dort stand. Das Kloster entstand im Jahr 1127 und wurde zwischen 1523 und 1525 im Zuge der Reformation aufgelöst. Sein Kreuzgang blieb bis ins 19. Jahrhundert erhalten. Erst im vergangenen Jahr stießen Stadtarchäologen bei Bauarbeiten auf der Terrasse des Restaurants auf Überreste des Klosterkreuzgangs. (evb)

Weitere Informationen

Die Ausstellung "Verschwundene Orte" ist in drei Teile geteilt. Ein Raum thematisiert den Glauben zur Zeit der Reformation. Ein weiterer ist den rekonstruierten Bauten und ihren Heiligen gewidmet und der dritte Teil bringt gestern, heute und morgen zusammen. Bis zum 23. September können Besucher die Ausstellung im Züricher Museum "Haus zum Rech" sehen.