Referent für Caritaspastoral über den Glauben bei der Arbeit

"Sich mitten in der Arbeit religiös entwickeln"

Veröffentlicht am 26.08.2018 um 14:59 Uhr – Lesedauer: 
Pastoral

Köln ‐ Die Mitarbeiter der Caritas kümmern sich um Alte, Arme und Ausgestoßene. Sie entdecken also im Nächsten Christus selber, sagt Bruno Schrage. Der Referent für Caritaspastoral unterstützt sie dabei.

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Die Caritas ist der größte Wohlfahrtsverband Deutschlands. Sie sieht sich als Helfer der Menschen in Not sowie als Anwalt Benachteiligter. So sind die Mitarbeiter vor allem in sozialen Berufen, wie Alten- und Krankenpflege oder Kinderbetreuung zu finden. Bruno Schrage erzählt, wie er als Pastoraltheologe die Mitarbeitenden der Caritas dabei unterstützt, die christliche Spiritualität in den Berufsalltag zu integrieren. 

Frage: Herr Schrage, Sie sind für die Caritaspastoral zuständig. Was genau sind Ihre Aufgaben?

Schrage: Mit vielen Kolleginnen und Kollegen bei caritativen Trägern schaffen wir zum Beispiel neue Modelle religiöser Bildung. Wir fragen Mitarbeitende: Wo in eurer fachlichen Arbeit erlebt ihr Berührungspunkte zum Religiösen und insbesondere zum Christlichen? Und daraus ergibt sich die Frage: Was braucht ihr? Es geht also immer darum, neue Formate der Auseinandersetzung zwischen Fachlichkeit, Glaube und der eigenen Person auf den Weg zu bringen. Solche Konzepte entwickeln wir im Kontext der Frage: Was ist religiöse Bildung? Welche Formate brauchen wir auf Dauer? In diesem Sinne berate ich caritative Einrichtungen hinsichtlich christlicher Unternehmenskultur, Führungshandeln und entwickle Seelsorgekonzepte mit den Mitarbeitenden.

Pastoralreferent Bruno Schrage
Bild: ©Caritasverband Erzbistum Köln

Der Pastoralreferent Bruno Schrage arbeitet als Referent für Caritaspastoral und Grundsatzfragen im Erzbistum Köln.

Frage: Können Sie ein konkretes Beispiel nennen für ein Modell oder Format?

Schrage: Es gibt in der stationären Altenhilfe ein Kursmodell mit dem Namen "Dem Glauben Gestalt geben". Zu Beginn machen wir eine Art Tagesreise durch den Berufsalltag. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter benennen ihre religiösen Assoziationen. Das sammeln wir und fassen es zu Themen zusammen. Da kommen Klassiker vor wie Sterben, Tod und Trauer. Da werden aber auch Punkte genannt wie "Rituale in Grenzsituationen" oder "der Glaube als Teil der Teamkultur". Man stößt dann schnell auf die Frage: Hat der Glaube an Jesus Christus für mich hohe Relevanz, und was hat Glaube überhaupt mit der Pflege zu tun? Und dann entdecken die Teilnehmenden, wie selten sie bisher Gelegenheit hatten, sich in ihrem beruflichen Handeln damit explizit auseinanderzusetzen. 

Frage: Muss man heute als Caritasmitarbeiter noch katholisch sein?

Schrage: Es kommt auf die Art der Aufgabenstellung an und inwiefern die Arbeit als ein direkter Ausdruck der Repräsentation von Kirche verstanden wird. Es wäre zum Beispiel schwierig, meinen Job zu machen, wenn man sich nicht mir der katholischen Kirche identifiziert und dazu gehören möchte. Wer in einer Leitungsfunktion ist, sollte ebenfalls katholisch sein und dies auch reflektiert nach innen wie aussen gestalten. Erzieher und Erzieherinnen in Kindergärten der Caritas tragen maßgeblich zur frühkindlichen Erziehung eben auch in Glaubensfragen bei. Daher gibt es in katholischen Kindertagesstätten Erzieherinnen mit muslimischem Glauben nur in begründeten Ausnahmefällen - zum Beispiel in Vierteln mit starkem Migrationshintergrund.

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Video: © katholisch.de

Wer für andere Menschen da ist, trägt manchmal auch ein Kreuz. Doch dieses Kreuz ist nicht nur Last. Es bedeutet auch anderen Hoffnung zu schenken.

Frage: Sie haben im Vorfeld gesagt, ein Mitarbeiter der Caritas habe eine andere Spiritualität als ein Kleriker. Wie erklären Sie das?

Schrage: Ein Ausgangspunkt ist, dass die Barmherzigkeit Gottes sich in der Begegnung mit den Armen zeigt. Ich glaube, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Caritas, die das verinnerlicht haben, eine eigene Spiritualität entwickeln. Denn sie beschäftigen sich jeden Tag mit Grenzfällen des Lebens. Sie sind dort, wo die Würde des Menschen bedroht ist. Im Matthäusevangelium 25,40 steht der entscheidende Satz: "Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan." Im Nächsten Christus selber entdecken, gerade dann wenn er am Straßenrand liegt, wie im Samariter-Gleichnis. Dieser Grundsatz ist in der Caritas der Kirche stilbildend.

Frage: Also muss man an die Ränder der Gesellschaft gehen, um Gott zu finden?

Schrage: Ja, eben auch und gerade dort. Die Caritasbotschaft ist doch, Gott nicht in die Welt zu bringen, sondern Gott in der Welt – eben im Nächsten - zu entdecken. Ich glaube, hier berühren wir die Urbotschaft Jesu. Für Caritasmitarbeitende steht im Alltag nicht das Sakrale und der separierte Gebetsraum als Begegnungsort im Vordergrund, sondern eher die Banalität des guten Handelns. Ich glaube, dass Gott im Banalen, in der kleinen Gesten und in den mitmenschlichen Beziehungen sich erfahrbar macht. Diese Begegnungsqualität ist die Tatwirklichkeit der Botschaft Jesu – ist eine Form von "Gottesdienst". Mitarbeitende stehen neben der liturgischen Erhabenheit zugleich und ständig mitten im Leben. Die Liebe Gottes ist vielfältig erfahrbar. Wir dürfen unsere jeweiligen Zugänge nicht gegeneinander ausspielen, sondern sollten sie uns erschließen. Das heißt: Es braucht für mich beides, eben auch die gekannte und gefeierte Liturgie mit ihrer Tiefe und besonderen Heilswirklichkeit. Das verdeutlicht uns im Moment Papst Franziskus in seinem Lehrschreiben "Gaudete et exsultate".

„Wir dürfen uns von dem Irrglauben verabschieden, die fertigen Katholiken fürs Berufsleben einfach so aus der Bevölkerung aufsammeln zu können. Der Glaube ist ein lebenslanger Prozess.“

—  Zitat: Bruno Schrage

Frage: Sie waren früher Pastoralreferent, also der Liturgie stark verbunden. Sind Sie das jetzt in der Caritaspastoral nicht mehr?

Schrage: Als Patoralreferent ist es mitunter nötig in eine liturgische Vorsteherrolle hinein zuwachsen. In einem Schulgottesdienst braucht es zum Beispiel eine Erkennbarkeit durch eine Albe. Als ich hier angefangen habe, habe ich nicht mehr die Notwendigkeit gesehen, eine Albe anzuziehen. Denn in dem Moment, indem ich das mache, bediene ich auch Stereotypen, werde stärker als kirchlicher Amtsträger und als Mitarbeiterseelsorger wahrgenommen. Das ist hier nicht meine Aufgabe. Ich habe hier zwar auch schon ein, zwei Gottesdienste geleitet, aber ich versuche diese liturgische Rolle überhaupt nicht mehr wahrzunehmen. Das hat nichts damit zu tun, dass ich das nicht will, aber ich finde, das ist nicht Teil der Caritaspastoral. Ich bin kein Mitarbeiterseelsorger und auch kein geistlicher Beirat. Sondern meine Profession lautet: Referent für Caritaspastoral und Grundsatzfragen. In dieser Rolle kann ich meist nur durch Sprache, durch solidarisches Handeln und sozusagen durch die Integration von Theologie und Fachlichkeit überzeugen. Das versuche ich gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen zu leben.

Frage: Was ist Ihr Wunsch oder Ihr Anliegen für die Zukunft Ihrer Arbeit?

Schrage: Wir müssen vielmehr dafür tun, dass unsere Organisation Angebote für eine Auseinandersetzung mit dem Glauben in der Arbeit entwickeln. Die Mitarbeitenden haben einen Anspruch darauf. Caritaspastoral sollte also ein Grundanliegen werden. Denn wir dürfen uns von dem Irrglauben verabschieden, die fertigen Katholiken fürs Berufsleben einfach so aus der Bevölkerung aufsammeln zu können. Der Glaube ist ein lebenslanger Prozess und wir haben im positiven Sinne die Erlaubnis uns in der Caritas mitten in der Arbeit religiös auf der Grundlage des christlichen Glaubens entwickeln zu dürfen.

Von Eva Bernarding