Forensiker Leygraf gegen Zensurvorwürfe

Wissenschaftler nimmt Kirche in Schutz

Veröffentlicht am 15.01.2013 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Missbrauchsstudie

Essen/Hamburg ‐ Der Essener Wissenschaftler Norbert Leygraf nimmt die katholische Kirche gegen Zensurvorwürfe bei der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals in Schutz. Der Direktor des Instituts für Forensische Psychiatrie der Universität Duisburg-Essen hatte parallel zum Hannoveraner Kriminologen Christian Pfeiffer eine wissenschaftliche Studie über "Sexuelle Übergriffe durch katholische Geistliche in Deutschland" durchgeführt und dabei forensische Gutachten analysiert.

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Leygraf sagte dazu am Montag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Essen, die Kirche habe in keiner Weise Einfluss auf den Abschlussbericht genommen und keine Zensur ausgeübt. Das gelte auch für eine geplante Veröffentlichung in einer Fachzeitschrift. Wie bei Drittmittelstudien üblich, seien die Ergebnisse der Studie den Auftraggebern aber vor der Veröffentlichung vorgestellt worden.

Hohe Beteiligung der Bistümer

Mit Blick auf die Auseinandersetzung mit Pfeiffer und den Stopp von dessen Missbrauchsstudie riet Leygraf den katholischen Bischöfen, sie sollten für die Fortsetzung der Studie einen Kriminologen suchen, "der weniger öffentlichkeitsorientiert, aber dafür fundierter vorgeht".

Für die im Dezember veröffentlichte Studie Leygrafs wurden 78 Gutachten aus 21 deutschen Bistümern ausgewertet. Die Gutachten wurden zwischen dem Jahr 2000 und dem Jahr 2010 erstellt; die meisten Vorfälle lagen mehrere Jahrzehnte zurück. Leygraf bezeichnete die Beteiligung von 21 Diözesen als hoch. Die Studie hatte festgestellt, dass katholische Priester, die Minderjährige missbrauchen, in den seltensten Fällen in klinischem Sinne pädophil seien. Die Beweggründe für sexuelle Übergriffe ließen sich überwiegend dem "normalpsychologischen Bereich" zuordnen.

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Video: © S. Schortemeyer und P. Philipp

Die Studie zum Missbrauchsskandal werde in jedem Fall mit neuem Partner weitergeführt, so die Bischofskonferenz zur Kündigung des Vertrags mit dem Kriminologen Pfeiffer.

Zugleich nannte der Missbrauchsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Stephan Ackermann, in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" das Ende der Zusammenarbeit mit Pfeiffer einen "Rückschlag." Das Projekt sei ein wichtiger Baustein der Aufarbeitung, aber nicht der einzige.

Ebenso betonte er, dass die Aufarbeitung damit nicht aufgegeben werde, sondern lediglich der Projektpartner. "Ich sehe aber durchaus, dass die Kündigung des Vertrags eine massive Enttäuschung der Opfer darstellt", sagte der Trierer Bischof weiter.

Die Gründe für die Kündigung Pfeiffers lägen in Fragen des Vertrauens, so Ackermann weiter. "Es ging um Zugriff auf Akten von Menschen, die noch leben und nicht um ihr Einverständnis gefragt werden - das ist sehr sensibel." (meu/KNA)