Verbote würden Kirche in "intellektuelles und kulturelles Ghetto" führen

Theologe Goertz fordert Änderungen bei Sexualmoral

Veröffentlicht am 05.09.2019 um 11:47 Uhr – Lesedauer: 

Mainz ‐ Vorurteile und Verbote prägen den kirchlichen Umgang mit Sexualität, sagt Moraltheologe Stephan Goertz. Das isoliere die Kirche in der Gesellschaft und entspreche nicht dem aktuellen wissenschaftlichen Stand. Daher müsse sich etwas ändern.

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Eine Änderung der katholischen Lehraussagen zur Sexualität wünscht sich der Mainzer Moraltheologe Stephan Goertz. Wer gegen alle Anfragen der Erfahrung und Vernunft auf Verboten und Vorurteilen beharre, führe die Kirche "in ein intellektuelles und kulturelles Ghetto", sagte Goertz am Donnerstag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Ein Beispiel sei die Homosexualität.

"Kirchliche Texte hinken im Bereich der Sexuallehre und generell des Geschlechterverhältnisses nicht selten erheblich hinter heutigen theologischen und humanwissenschaftlichen Erkenntnissen hinterher", kritisierte Goertz, der Zweiter Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Moraltheologie ist. Die Kirche müsse zudem akzeptieren, "dass über die Generationen und Milieus hinweg, zumindest hierzulande, diese Lebensbereiche nicht mehr ihrer moralischen Regie unterstehen".

Laut katholischer Lehre steht die Ehe als Sakrament für eine unauflösliche Verbindung zwischen Mann und Frau, die auf die Zeugung von Kindern hin ausgerichtet ist. Als Sünden gelten etwa Ehebruch, homosexuelle Handlungen und Selbstbefriedigung, als unsittlich beispielsweise Empfängnisverhütung, künstliche Insemination und Befruchtung. Scheidungen sowie vor- oder außerehelicher Geschlechtsverkehr sieht die Kirche als Verstöße an.

Stephan Goertz im Porträt
Bild: ©Maja Goertz

Stephan Goertz ist Professor für Moraltheologie an der Universität Mainz.

Für Goertz heißt die zentrale Frage an das kirchliche Lehramt, "ob zwei Menschen sich nicht auch jenseits der Ehe auf eine menschlich authentische, freie und respektvolle Weise lieben können, so dass ihre Sexualität als Ausdruck und Gestalt dieser Liebe eine sittliche Realität darstellt, die von der Kirche zu respektieren ist".

Die Frage der Empfängnisregelung müsse ein Paar im Hinblick auf die eigenen Lebensumstände nach vernünftigen Erwägungen selbst entscheiden dürfen. "Die Methodenfrage ist keine Glaubensfrage und sollte auch nicht zu einer solchen gemacht werden".

Als positiv bewertete der Theologe, "dass einzelne Bischöfe die Probleme inzwischen offen benennen und das theologische Gespräch suchen". Die Sexualmoral der katholischen Kirche soll auch ein Thema bei dem von den Bischöfen geplanten Dialog zur Zukunft der Kirche in Deutschland, dem "synodalen Weg", sein. Diesem Thema ist ein eigenes Forum während der Vorbereitung des "synodalen Wegs" gewidmet. Es wird gemeinsam vom Limburger Bischof Georg Bätzing und der Vizepräsidentin des Katholischen Deutschen Frauenbundes, Birgit Mock, geleitet. (rom/KNA)