Von langen Predigten bis zu unerwarteten Gästen

Diese Heiligen begleiten Sie durch die Weihnachtszeit

Veröffentlicht am 26.12.2019 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Nach dem Festbraten und den Weihnachtsgeschenken ist alles vorbei? Von wegen! Jetzt fängt die Weihnachtszeit erst richtig an. Egal ob Ihnen in diesen Tagen glücklich und optimistisch oder eher nachdenklich zu Mute ist – diese himmlischen Experten wissen Rat.

  • Teilen:

Jedes Jahr zum zweiten Weihnachtstag, wenn die feierlichen Lieder weiter im Ohr klingen und die Luft noch nach süßem Gebäck duftet – platzt Stephanus herein. Erwartbar und doch gefühlt immer überraschend grätscht der Gedenktag des ersten Märtyrers am 26. Dezember mitten in die weihnachtliche Wohlfühlatmosphäre. Wer eine fröhliche Festmesse erwartet hat, wird bitter enttäuscht. "Dieser Stephanus nervt", wird sich schon mehr als ein Kirchenbesucher heimlich gedacht haben. Und damit ist er nicht allein. Denn auch in der Bibel eckt Stephanus bei vielen an: Die Apostelgeschichte erzählt zunächst, wie der griechischsprachige Jude Stephanus zum Diakon gewählt wird (vgl. Apg 6). Bald gerät er in theologische Diskussionen und wird vor den Hohen Rat gebracht. Doch statt sich knapp von den falschen Anschuldigungen zu distanzieren, setzt Stephanus zu einem der längsten Monologe der gesamten Bibel an (vgl. Apg 6,8-7,53).

Trotz seiner Weisheit kann Stephanus seine Zuhörer nicht überzeugen: Die aufgehetzte Menge treibt ihn aus Jerusalem heraus und steinigt ihn. Wie Jesus betet er noch sterbend für seine Verfolger (vgl. Apg 7,54-60). Stephanus sollte nicht der Einzige bleiben, denn bald setzt die erste Verfolgung ein: Christliche Häuser werden aufgebrochen, Männer und Frauen verschleppt und weggesperrt (vgl. Apg 8,1.3). Auch 2.000 Jahre später können sich zahlreiche verfolgte Christen mit diesen frühen Glaubenszeugen leidvoll identifizieren. Gerade für sie mag es ein verspätetes Weihnachtsgeschenk sein, dass ihre Glaubensgeschwister auf der ganzen Welt heute besonders an sie denken – am "Gebetstag für verfolgte Christen".

Selbst ein Apotel ist mal eifersüchtig

Auch am 27. Dezember noch genervt von dem "perfekten" Verwandten? Genau, dieser Jungspund, dem scheinbar alles etwas besser gelingt. Seine neuesten Erfolge sind dominantes Thema beim Weihnachtsessen – und kleinere Makel werden wohlwollend vergeben. Das Problem ist nicht neu: Schon Jesus soll mit dem heutigen Tagesheiligen Johannes einen "Lieblingsjünger" gehabt haben. Er wird in allen vier Evangelien zum engsten Jüngerkreis gezählt. Im Johannesevangelium hat er beim Abendmahl sogar den Ehrenplatz direkt neben Jesus inne und lehnt sich vertraut an die Brust seines Meisters (vgl. Joh 13,25). Und als Petrus und Johannes am Ostermorgen zum Grab laufen, ist der jüngere "Lieblingsjünger" natürlich schneller da (vgl. Joh 20,3f). Auch nach Ostern glätten sich die Wogen nicht und der neidische Petrus fragt Jesus: "Herr, was wird denn mit [Johannes]?" (Joh 21,22). Jesus aber scheint wenig für diese Eifersucht übrig zu haben. "[…] was geht dich das an?" (Joh 21,22), lautet seine kühle Antwort. Irgendwie scheinen sich Petrus und Johannes dann doch noch zusammengerauft zu haben. Gemeinsam mit Jakobus zählt Paulus die beiden zu den "Säulen" (Gal 2,9), die zusammen die Jerusalemer Gemeinde leiten.

Bild: ©KNA/Gerlinde Pfirsching

Ein Fresko aus dem Jahr 1246 zeigt den römischen Bischof Silvester I.

Zum Jahresende am 31. Dezember können gemischte Gefühle hochkommen: Was ist in den letzten zwölf Monaten geglückt? Welche Vorsätze sind fehlgeschlagen? Und was soll nur aus dem neuen Jahr werden? In den Medien scheint eine Hiobsbotschaft auf die andere zu folgen. Kann das gut gehen? Wer ängstlich in die Zukunft schaut, ist bei dem Patron des optimistischen Jahreswechsels genau richtig: Silvester! Er war vielleicht kein genialer Theologe und spielte in der großen Kirchenpolitik kaum eine Rolle – und doch war er einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Silvester erlebte noch die letzte Verfolgungswelle unter Kaiser Diokletian (303-311) und musste wegen seines Glaubens eine Zeit lang im Exil leben. Dann aber wendete sich das Blatt: Kaiser Konstantin garantierte durch seine Mailänder Vereinbarung 313 reichsweite Religionsfreiheit. Nur ein Jahr später wurde Silvester Bischof von Rom. Er stand an der Schwelle zu einer neuen Epoche und hatte Möglichkeiten, von denen seine Amtsvorgänger nicht einmal zu träumen gewagt hatten. Es folgte eine beeindruckend lange Amtszeit von über zwei Jahrzehnten, in denen Silvester etwa die erste Kirche über dem Petrusgrab bauen ließ. Ein echter Glückspilz, dieser Silvester.

Ein mittelalterlicher Abt als Friedensaktivist

Am 3. Januar sind von den Silvesterraketen nicht einmal mehr Rauch und Asche übrig – bei manchen macht sich Neujahrsmelancholie breit. Das festliche Treiben weicht bedrückenden Gedanken: Der Staat kontrolliert seine Bürger, aber wer kontrolliert eigentlich den Staat? Verlieren nicht immer die Schwächsten der Gesellschaft? Schon im 10. Jahrhundert trieben solche Fragen den heutigen Tagesheiligen Odilo von Cluny um. Mit dem Niedergang der Karolinger war ein gefährliches Machtvakuum entstanden: Ständige Privatkriege des Adels fegten damals durch Europa und machten weder vor Kirchengut noch unbeteiligten Zivilisten halt. Odilo engagierte sich darum in einer der ersten europäischen Friedensbewegungen. Wenn Kriege schon unvermeidbar waren, so sollten sie doch wenigstens begrenzt und Regeln unterworfen werden. Das Prinzip des "Gottesfrieden" schützte wehrlose Personen (wie Frauen oder Bauern), heilige Orte (wie Friedhöfe) oder lebenswichtige Güter (wie Vieh). Die "Waffenruhe Gottes" verbot Gewalt zu bestimmten Zeiten des Kirchenjahres. Auf öffentlichen Versammlungen wurden die Adligen auf die neuen Vorgaben verpflichtet – und der "Gottesfrieden" entwickelte sich zu einer der ersten religiösen Volksbewegungen des Mittelalters. Neue Ideen für eine neue Zeit.

Schatten von Kamelreitern in der Wüste.
Bild: ©Fotolia.com/Bart Kwieciszewski

Schatten von Kamelreitern in der Wüste.

Für Freunde der Sternsinger ist das Warten am 6. Januar zu Ende: Endlich ist der Dreikönigstag da! Gut, eigentlich heißt das Hochfest "Erscheinung des Herrn", aber Hauptsache die "Heiligen Drei Könige" kommen vorbei – oder? Dass die Namen Casper, Melchior und Balthasar erst spätere Traditionen sind, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Und doch werden sich einige nach einem genaueren Blick auf die biblische Grundlage bei Matthäus verwundert die Augen reiben: Keine Spur von royalem Glanz bei den berühmten Gästen! Es sind "Weise", nichtjüdische Priester und Astronomen, die das Jesuskind aufsuchen (vgl. Mt 2,1). Dann eben nur die "Heiligen Drei". Doch nicht einmal ihre Anzahl wird genannt – nur die drei Geschenke Gold, Weihrauch und Myrrhe (vgl. Mt 2,11). Dass jedoch nicht jeder Weihnachtsgast ein eigenes Geschenk mitbringt, ist vielleicht erst in den zurückliegenden Festtagen wieder deutlich geworden. Aber heilig werden diese geheimnisvollen Gäste doch wenigstens gewesen sein! Matthäus erzählt nur, dass die Männer "aus dem Osten" (Mt 2,1) kamen. Von Bethlehem aus gesehen könnte das etwa die heutigen Länder Irak und Iran beschreiben. Die Weisen scheinen keine religiösen Vorkenntnisse mitzubringen und erhalten auch keine Einführung dazu (vgl. Mt 2,2.8). Sie folgen schlicht dem Stern, huldigen dem neugeborenen König und kehren zurück (vgl. Mt 2,10ff). Ja kann denn da einfach jeder kommen, der mag? Matthäus war sich da ganz sicher: "[…] und sie werden ihm den Namen Immanuel geben, das heißt übersetzt: Gott mit uns" (Mt 1,23). Zeit, die Türen weit zu öffnen.

Von Valerie Mitwali