Für ausgewogene Inszenierung der Oberammergauer Passionsspiele

Passionsspiel-Regisseur Stückl mit Abraham-Geiger-Preis ausgezeichnet

Veröffentlicht am 26.07.2020 um 14:09 Uhr – Lesedauer: 

München ‐ Für seine "ausgewogene Darstellung innerjüdischer Konflikte" bei den Oberammergauer Passionsspielen wurde Christian Stückl jetzt ausgezeichnet. Bei der Verleihung hat er betont, wie wichtig der Dialog zwischen Juden und Christen ist.

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Der Regisseur Christian Stückl (58) ist am Sonntag in München mit dem Abraham-Geiger-Preis 2020 geehrt worden. Die mit 10.000 Euro dotierte Auszeichnung erhielt er für seine Inszenierungen der international bekannten Oberammergauer Passionsspiele. Für diese war Stückl 1990, 2000 und 2010 verantwortlich und ist es auch wieder 2022. Das Spiel vom Leiden und Sterben Jesu geht auf ein Gelübde von 1633 zurück. Damals gelobten die Oberammergauer, es in jedem zehnten Jahr aufzuführen, sofern niemand mehr an der Pest sterben sollte.

Stückl sei es gelungen, "weg von christlichem Judenhass hin zu einer ausgewogenen Darstellung innerjüdischer Konflikte" zu kommen, hieß es in der Begründung des an der Universität Potsdam angesiedelten Rabbiner-Seminars Abraham-Geiger-Kolleg. Stückl habe einer wichtigen Botschaft Gewicht verliehen: "Dass wir in unserem Land gegen Rassismus und Antisemitismus eintreten müssen, um eine pluralistische Gesellschaft zu sichern."

Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, würdigte Stückl in ihrer Laudatio als einen "emphatischen, verständigen und klugen Mann", der mit offenen Augen und einem wachen Geist gesegnet sei. Bei den Passionsspielen sei es ihm gelungen, die Historie mitzudenken, der Tradition mit der nötigen Ehrerbietung zu begegnen, die Würde des Stückes zu wahren und trotzdem einen Modus zu finden, der die Passion in die Realität "unseres Landes" einpasse.

Knobloch sagte: "Es gelang Ihnen, das Jüdische in der Passion zu zeigen – ohne Vorurteile, ohne Dämonisierung, ohne antisemitische Untertöne." Gezeigt werde das "Judentum in seiner Vielfalt". Der Preis sei deshalb ein verdienter Lohn.

"Weist die zurecht, die Unrecht tun"

Stückl erklärte, es sei nicht allein sein Verdienst, dass die Passionsspiele reformiert worden seien. Seit den 1970er Jahren habe man darum gerungen, den Antijudaismus zu beseitigen. Namentlich nannte er seinen früheren Dramaturgen Otto Huber, den für die Musik verantwortlichen Markus Zwink und Bühnenbildner Stefan Hageneier. Auch im Dorf sei die Bereitschaft da gewesen, mitzumachen. Der Preis solle Motivation sein, "dass wir weitermachen".

Der Regisseur betonte, nicht nur der Dialog zwischen Christentum und Judentum sei wichtig, sondern ein Dialog "mit uns allen". Wenn in Corona-Zeiten der Antisemitismus wieder aufblühe, gelte der Satz aus dem Passionsspiel: "Weist die zurecht, die Unrecht tun."

Die Auszeichnung ist benannt nach dem Vordenker des liberalen Judentums, Abraham Geiger (1810-1874), und würdigt "Persönlichkeiten, die sich um den Pluralismus verdient gemacht haben und sich für Offenheit, Mut, Toleranz und Gedankenfreiheit einsetzen". Unter den Preisträgern sind Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der frühere Mainzer Kardinal Karl Lehmann.

Stückl wurde 1961 in Oberammergau geboren. Er inszenierte etwa auch bei den Münchner Kammerspielen und den Salzburger Festspielen. Für seine Arbeit wurde er vielfach ausgezeichnet, unter anderem 2014 mit dem Theaterpreis der Landeshauptstadt München. (KNA)