Unter anderem Resozialisierung eingeführt

Vatikan reformiert sein Strafrecht

Veröffentlicht am 17.02.2021 um 10:52 Uhr – Lesedauer: 

Vatikanstadt ‐ Das Straf- und Prozessrecht des Vatikanstaats beruht noch immer auf dem italienischen Strafrecht des 19. Jahrhunderts und entspricht in vielen Teilen nicht heutigen Standards. Nun gibt es einige bedeutende Änderungen.

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Der Vatikan hat sein Strafrecht reformiert und unter anderem die gesellschaftliche Wiedereingliederung als Vollzugsziel eingefügt. Künftig können Verurteilte ein Achtel bis ein Drittel ihrer Haftstrafe erlassen bekommen, wenn sie an einem Therapie- oder Resozialisierungsprogramm teilnehmen. Die Neuerungen des Strafgesetzbuchs wurden am Dienstag veröffentlicht und treten sofort in Kraft.

Als Motiv nennt der päpstliche Erlass eine gewandelte Sensibilität. Einige Maßstäbe und Lösungen des bisherigen Strafrechts seien überholt. Papst Franziskus vertrat bei zahlreichen Anlässen die Auffassung, jeder Straftäter müsse eine Chance auf einen Neuanfang haben. Voraussetzung für eine Haftverkürzung ist neben guter Führung ein konkreter Resozialisierungsplan. Die darin vom Verurteilten übernommenen Verpflichtungen sollen auch auf eine Linderung der Tatfolgen zielen, etwa mit Ableisten gemeinnütziger Arbeit.

Kein "Prozess in Abwesenheit" mehr

Weitere Gesetzesänderungen betreffen Freiheitsrechte von Angeklagten sowie das Strafverfahrensrecht. Unter anderem wurde der sogenannte "Prozess in Abwesenheit" abgeschafft. Zuvor fand bei Nicht-Erscheinen des Angeklagten der Prozess auf der Grundlage der Dokumente und ohne Zulassung der Zeugen der Verteidigung statt. In Zukunft gilt: Bleibt ein Angeklagter ohne triftigen Grund der Verhandlung fern, findet diese dennoch wie vorgesehen statt und der Verteidiger vertritt den Angeklagten. Gibt es einen schwerwiegenden Grund für das Fernbleiben, ist das Vatikan-Gericht verpflichtet, die Verhandlung auszusetzen.

Mangels eigener Quellen fußt das Straf- und Prozessrecht des Vatikanstaats noch immer auf dem italienischen Strafrecht des 19. Jahrhunderts. Es entspricht in vielen Teilen nicht heutigen Standards. (tmg/KNA)